El Hotzo schreibt in seinem ersten Roman darüber, wie Männer einander und eigentlich allen im Weg stehen.

Max Sand / Verlag Kiepenheuer & Witsch

"Mindset": El Hotzo schreibt über die moderne Männlichkeit

In seinem ersten Buch erzählt uns Satiriker Sebastian Hotz alias El Hotzo, wie er die Welt, Männer, Finanz-Coaches und Selbsthass sieht.
Dario Bojic

Von modernen Wölfen, modernem Aufwachsen und dem modernen Mann-Sein: Sebastian Hotz lässt in "Mindset" (erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch) seine Charaktere durch die Absurdität und Logik der Gegenwart navigieren. Mit seinem ersten Versuch als Buchautor gibt "El Hotzo" einen Einblick in seine Welt des Humors, der Finanz-Coaches und frustrierter Durchschnittsbürger vom Land. Aber auch Themen wie Selbsthass, das Verzweifeln an der Gesellschaft und Bewältigungsstrategien dafür finden in seinem Roman Platz.

Sebastian Hotz ist 1996 in Oberfranken, Bayern geboren, und seit Jahren ein Standard in meinem täglichen Instagram-Feed. Nicht nur ich, auch Millionen andere deutschsprachige Millennials und Gen Z-Angehörige auf Instagram und Twitter finden Gefallen an seiner Art von Humor.

Mindset: Erfolg ist "nur Kopfsache"

In "Mindset" begleiten wir Mirko und Maximilian durch ihren Alltag als junge, erwachsene Männer, die wie so viele junge, erwachsene Männer unzufrieden sind. Während Mirko sich seit Jahren in seinem Informatiker-Job gefangen sieht, hat sich Maximilian einen alternativen, moderneren Weg der Karriere und Kapitalakquisition überlegt. Um sich den Charakter Maximilian richtig vorstellen zu können, denke man an die zahllosen "Erfolgs-Coaches" auf Instagram & Co., die mit ihren Konzepten insbesondere Männern die Sterne vom Himmel versprechen.

"El Hotzo" glaubt nicht an Kunstfiguren, was er im Internet darstellt, ist zu 100 Prozent er selbst.

Max Sand

Mirkos Welt ist den meisten Männern unter 30 wohl nicht fremd: Allzu bekannt klingt der eintönige, nie enden wollende Alltag eines Bürojobs in einer ländlichen Gegend. Und wenn es kein Bürojob ist, ist es vielleicht ein ebenso sinnbefreiter Job in der Stadt. Das ständige Gefühl der Austauschbarkeit und der mangelnden Relevanz seiner Selbst ist erdrückend, vertraut und befremdlich zugleich. Mirko hat zudem den sozialen Anschluss verloren, er hat abgesehen von ein paar Internet-Bekanntschaften kaum Freunde, nur seine deutlich ältere Arbeitskollegin Angela aus der Buchhaltung versucht überhaupt, mit ihm zu interagieren.

Maximilian hingegen ist, zumindest in seinen und den Augen seiner Anhänger, das genaue Gegenteil von Mirko. Mirko ist ein "Schaf", Maximilian ein "Wolf". Der Wolf und sein Fan-Rudel sehen sich als "Gewinner der globalen Geburten-Lotterie", sie verdienen mehr als andere. Ihre Überzeugung davon legitimiert alles, was sie in ihrem Leben tun. Sie sind Männer, sie sind hart und niemals so weich wie der Teppichboden des Regionalzuges, mit dem sowohl Mirko als auch Maximilian regelmäßig fahren.

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Disziplin und Ego

Denn in Wirklichkeit ist Maximilian nicht erfolgreich, wohlhabend und dominant, in Wirklichkeit verbirgt sich hinter seinem Leitsatz "MINDSET. DISZIPLIN. EGO." ein Mann, der ebenso mit seiner Existenz ringt, wie die meisten seiner ahnungslosen Jünger. Diese lädt er jedoch regelmäßig zu "Seminaren" ein, bei denen er immer wieder dieselben Sprüche über Erfolg, Mindset und Alpha-Motivation bringt.

Durch Zufall kreuzen sich die Schicksale dieser zwei Männer. Der eine wird in Hoffnung, zum Wolf zu werden, erst recht zum Schaf, während der andere versucht, sein Wolf-Image aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig zweifelt Maximilian aber selbst immer mehr an der Fassade, die von ihm so mühe- und kunstvoll aufgebaut wurde.

Männer auf der Suche nach sich selbst

Sebastian Hotz erzählt in seinem Roman eine Geschichte, jedoch entsteht beim Lesen eher das Gefühl einer Abrechnung mit dem 21. Jahrhundert. Zwischen seinem Hass für laute Kaffeeautomaten und der Ablehnung für mangelnde Fairness in unserer Welt, erzählt "El Hotzo" von Männern, die versuchen, ihren Platz in einer gnadenlos selbstoptimierten Welt zu finden. Und auch, wie Männer einander davon abhalten, genau jenen erhofften Platz zu finden, an dem sie sich wohlfühlen dürfen, aber nicht wohlfühlen müssen.

Auch als Gesellschaft dürfen wir uns vom Autor Kritik anhören: "Die Industrialisierung brachte uns einen zerstörten Planeten, Entfremdung von unseren Mitmenschen und eine unübersichtlich große Auswahl an Puddinggeschmacksrichtungen", schreibt der 27-Jährige in seinem Buch. Hotz kritisiert und amüsiert zugleich – und genau das ist es, was seine Fans an ihm lieben und schätzen. Fast mühelos pendelt er, ähnlich wie in seinen Tweets, zwischen ironischer Finesse und zynischen Pointen hin und her.

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Fazit: Sebastian Hotz schreibt außerordentlich zeitgemäß, er versteht es, den aktuellen Zeitgeist, das momentane Lebensgefühl unzähliger junger Menschen wiederzugeben. Gleichzeitig zeigt er anhand seiner Charaktere, wie er die unsere Welt bisher erlebt hat: Mal war er selbst Mirko, ein anderes Mal war er Maximilian. Hotz verbindet sein persönliches Weltverständnis mit überzeichneter Internetkultur, humoristischem Talent und Selbstironie. Unterm Strich ist ihm mit "Mindset" ein witziger wie kritischer Debüt-Roman gelungen – lesenswert besonders für alle, die vielleicht selbst schon Werbung für Finanz-Coaches im Internet erhalten haben.

Mit seinem Buch im Gepäck geht "El Hotzo" 2023 zudem auf Live-Tour, auch zwei Lesungen in Wien stehen dabei auf dem Plan. Mehr Infos dazu hier.