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Ja, es stört mich, wenn Menschen unüberlegte Komplimente machen

Heute ist Tag der Komplimente: Der Gedanke ist ja grundsätzlich ganz nett, leider hapert es oft aber an der Umsetzung.
Sophie Unger

Ja natürlich sind Komplimente erwünscht und erlaubt. Am Tag der Komplimente möchte ich eher darauf aufmerksam machen, dass sich die Kompliment-Kultur - genauso wie wir auch - im Laufe der Zeit gravierend geändert hat und heutzutage nicht alle gut gemeinten Aussagen beim Empfänger/bei der Empfängerin als solche aufgenommen werden. Denn irgendwie habe ich schon das Gefühl, dass auch in punkto Komplimente das Motto "so haben wir's immer schon gemacht, so machen wir's einfach weiter" vorherrscht. 

Wissenschaft belegt: Komplimente sind wichtig

Bitte nicht falsch verstehen: Ich mag Komplimente! Nicht umsonst bestätigt auch die Wissenschaft, dass Komplimente eine große Rolle beim Glücklichsein spielen. Rein chemisch gesehen sorgen sie nämlich dafür, dass Glückshormone wie beispielsweise Oxytocin, Dopamin und Serotonin freigesetzt werden. Alles wohltuende Stoffe, die man laut US-Wissenschaftler Abraham Maslow braucht, um den eigenen Selbstwert zu steigern. Herr Maslow wies das übrigens bereits in den 60ern nach. Und auch, wenn die Theorie dieser Zeit heutzutage durchaus berechtigt ist, sind viele Komplimente wirklich schlecht gealtert. 

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Komplimente stecken in den 60er fest

Wurde früher vielleicht noch die Aussage "Du kochst so gut wie meine Mutter" als "reizend" empfunden, ist sie heute alles andere als angebracht. Dabei werden nämlich gleich zwei Klischees bedient. 1) Die Frau wird automatisch auf ihre Koch-Fähigkeit reduziert, 2) die Schwiegermutter ist das Maß aller Dinge. Wenn dann obendrein noch ein keckes "die Kochschürze macht dich besonders sexy" dazukommt, haben wir wohl den 60er-Jahre-Komplimente-Jackpot geknackt. Das Traurige: solche Aussagen sind auch heutzutage keine Seltenheit. Und auch wenn hier das Beispiel einer Frau gewählt wurde, da ich selbst eine bin und solch ähnliche Erfahrungen gemacht habe, gilt dies natürlich für sämtliche Geschlechter. 

"Das war doch nur nett gemeint"

Reagiert man dann nicht so, wie es sich das Gegenüber erwartet hat, wird man oft mit einem trotzigen "das war doch nur nett gemeint" zurückgelassen. Jo eh. Aber dabei bleibt es dann halt auch, denn oftmals fühlen sich SenderInnen in ihrer Komplimente gebenden Rolle überlegen, weshalb im Nachgang auch wenig Reflexion über den Inhalt des Kompliments stattfindet - à la "sei doch froh, dass du überhaupt ein Kompliment bekommst".

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Körperliche Komplimente sind immer heikel

Wenn wir schon beim Inhalt sind: neben Komplimenten, hinter denen sich oftmals Sexismus versteckt, sind auch körperliche Komplimente meist problematisch. Und an dieser Stelle meine ich nicht unbedingt positive Äußerung, die auf Frisur oder Outfit abzielen, obwohl diese natürlich auch oberflächlich daherkommen. Gemeint sind die vielen Wertungen, die sich andere ständig und ohne danach gefragt zu werden erlauben. Egal ob auf Social Media, in der Werbung oder auch im eigenen FreundInnenkreis - der Fokus auf den menschlichen Körper ist allgegenwärtig. Und das ist einfach unangenehm.

"Du bist so schlank, dir passt alles"

Hier kommt nämlich der Knackpunkt: Du weißt nie, wie Personen zu ihren Körpern stehen - welche Geschichten oder Krankheiten sich dahinter verbergen. Seit klein auf bekomme ich beispelsweise zu hören, dass ich doch so "toll schlank" sei und mir deshalb auch alles passen würde. Dass ich jedoch an Fibromyalgie leide, was mit Problemen mit dem Stoffwechsel einhergeht und ich unter anderem genau deshalb schlank bin, können die Leute ja nicht wissen - müssen und sollen sie auch nicht. Treffen tut es mich trotzdem, da ich so immer wieder an die Krankheit erinnert werde. 

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Komplimente zur Persönlichkeit

Wer sich jetzt fragt, welche Komplimente man denn überhaupt noch bringen kann, sollte sich an der breiten Palette der Leistungs- und Persönlichkeitsmerkmale bedienen. Denn auch im Small Talk können meist kleine feine Details zur Persönlichkeit oder über die Leistungen, die man im Beruf vollbringt, aufmerksam aufgesogen werden. "Du bist super neugierig, das finde ich echt spannend" - ist doch ein akzeptables, wenn auch nicht ganz tiefsinniges Kompliment, das man fast immer bringen kann. Wenn man dann noch 1 bis 2 Sekunden länger über die Person, die man mit einem Kompliment beglücken will, nachdenkt, kommt man bestimmt auf ein noch tolleres Ergebnis.