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Louis Vuitton: Pharrell folgt als Chefdesigner – ergibt das Sinn?

Nach dem frühen Tod des Creative Directors Virgil Abloh wurde nun seinen Nachfolger bestimmt.
Julia Deutsch

Und das prestigeträchtige Modehaus Louis Vuitton ließ sich damit auch länger Zeit als erwartet. Seit Ende 2021 warten Modefans auf Informationen, wer denn in Zukunft das Design der Männerkollektion verantworten wird. Nun wurde das Geheimnis endlich gelüftet, wie "BoF" berichtet: Der Nachfolger des Design-Talents Virgil Abloh ist niemand geringerer als die künstlerische Größe Pharrell Williams. Die Reaktion darauf war gespalten – weshalb diese Wahl aber dennoch Sinn ergibt, erforschen wir in diesem Beitrag.

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Pharrell Williams und Mode?

Auf den ersten Blick fragt man sich vielleicht, inwiefern ein Musiker die richtige Wahl als Chefdesigner für das Traditionshaus Louis Vuitton ist. Doch sollte man keinesfalls vergessen, dass Pharrell Williams nicht nur gute Musik produziert und als Sänger Erfolge feiert, sondern auch im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder mit der Modewelt in Kontakt getreten ist. Da wäre zum Beispiel, wie "FAZ" erklärt, der mehrjährige Design-Vertrag mit dem Schuhhersteller Adidas, für den er den ikonischen Superstar-Sneaker in Regenbogenfarben interpretierte. Nicht nur das: Der 49-Jährige hat ebenfalls Erfahrung mit eigenen Modemarken  bereits Anfang der 2000er Jahre gründete er die Streetwear-Labels mit den Namen "Billionaire Boys Club" und "Icecream", die den Stil der Dekade entscheidend mitdefinierten.

Er kollaborierte außerdem mit niemand geringerem als Karl Lagerfeld im Rahmen einer gemeinsamen Kollektion für Chanel. Außerdem entwarf Williams Sonnenbrillen und Schmuck, gemeinsam mit der Design-Legende Marc Jacobs für Louis Vuitton – bereits 2003. Die neuerliche Zusammenarbeit mit dem Haus war also vielleicht schon lange in den Sternen geschrieben. Dem Musiker also jetzt vorzuhalten, nichts mit Mode am Hut zu haben, ist nicht wirklich haltbar. Aber vielleicht hat sich Mode in den letzten Jahren auch einfach verändert, vielleicht fast schon demokratisiert?

Virgil Abloh als Creative Director von Louis Vuitton

Als Williams Vorgänger Virgil Abloh im Jahr 2021 an einer Krebserkrankung starb, trauerte die Welt. In einer letzten großen Show für das französische Designhaus Louis Vuitton ließ man Abloh hochleben, wie "Fashion Network" berichtet. Nur wenige Tage nach seinem Tod, wurden seine letzten Arbeiten in Miami gezeigt und mit einem Feuerwerk beendet, das folgende Worte in den Himmel schrieb: "Virgil Was Here". Virgil war da – und hat seinen unverkennbaren Fußabdruck hinterlassen. Was mit einem großen Bravo geendet hat, dem wurde zuallererst aber vor allem mit Ablehnung und Skepsis begegnet. 2018, bei der Ernennung Ablohs, war es fast unerhört, dass ein Streetwear-Designer, der zwar mit seiner eigenen Brand "Off White" große Erfolge feiert, aber eigentlich eher für seine vielen Mode-Kollaborationen à la Evian, Ikea oder Rimowa bekannt ist, für eines der wichtigsten High-Fashion-Häuser engagiert wird. Dies ließ viele KennerInnen und auch Außenstehende die Nase rümpfen.

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Spätestens als dieser dann mehrere Seasons in Folge konstant frische, tragbare und neu-gedachte Luxusmode präsentierte, etablierte sich Virgil Abloh als ernstzunehmende Größe in der Luxuswelt. Vom Rookie, der seine Anfänge in Zusammenarbeit mit Kanye West feierte, zum kreativen Visionär, der interdisziplinär dachte und so manches festgefahrene Klischee aufbrach. Abloh ebnete den Weg für ein neues Konzept – weg von de/m/r Chef-DesignerIn hin zum Creative Director und kulturellen Kurator. Und natürlich: LVMH, das Konglomerat dem die Marke Louis Vuitton angehört, freuten die gesteigerten Umsätze, vor allem in der wichtigen neuen Luxuszielgruppe der Männer, umso mehr.

Teamwork in der Modebranche

Was bei der Diskussion, ob Pharrell Williams denn nun als Head-Designer geeignet ist, vergessen wird ist, dass Mode Teamwork bedeutet. Es ist Fakt  und das wird in der Modewelt vielleicht oft irrtümlich verkauft – die Designs der Modehäuser stammen nur in den seltensten Fällen aus der Feder einer einzelnen Person, wie "i-D" erklärt. Natürlich gibt der Creative Director die Linie und die Vision vor, entwirft selbst und trifft die wirklich wichtigen Entscheidungen, jedoch kommen die einzelnen Designs von einem mehrköpfigen Design-Team, das in unermüdlicher Arbeit dem Creative Director zuarbeitet. Das finale Ergebnis wird dann von dem/der ChefdesignerIn verantwortet. Selbst das finale Styling, nämlich wie die einzelnen Kleidungsstücke am Laufsteg miteinander kombiniert und präsentiert werden, unterliegt nicht wirklich dem Creative Director, sondern wird oft von externen StylistInnen übernommen, um frischen Wind in die finale Ästhetik zu bringen.

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Der Kult um eine/n StardesignerIn

Die Zuspitzung auf eine einzelne Person (den/die StardesignerIn), ist also nur eine Illusion, die in der Realität hunderte von Menschen involviert. Diese präsentieren in Folge gemeinsam das Gesamtkunstwerk der neuen Kollektion, das sich ebenfalls in Kampagnen und anderen Marketing-Aktivitäten der Brand widerspiegelt. Dabei braucht es natürlich Menschen, die die hohe Schneiderkunst verstehen, aber eben vor allem auch solche die wissen, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt. Kunst, Musik, Theater, Film oder Literatur vermischen sich dahingehend zunehmend und sind eigentlich nicht mehr wirklich isoliert voneinander zu betrachten, weil sich alle Disziplinen gegenseitig beeinflussen. Deshalb sehen sich auch Modemarken und die Modebranche als solches nicht mehr als ein in sich geschlossenes System, sondern nur als Projektionsfläche und Multiplikator für alles, was die Ästhetik unserer Zeit definiert. Dass die Wahl bei Louis Vuitton in Folge auf einen kulturellen Kurator wie Williams fällt, der in mehreren Disziplinen Erfolge feiert, ergibt aus diesem Grund Sinn und ist auch stimmig. 

 

Das liebe Geld

Natürlich will in unserer spätkapitalistischen Wirtschaftsform auch immer der monetäre Faktor stimmen. Die Ernennung von Pharrell Williams als neuer Creative Director der Männerkollektion von Louis Vuitton, zahlt damit auch strategisch auf die Unternehmensvision ein (Vermögensvermehrung). Schließlich hat sich das damalige Risiko der Ernennung von Virgil Abloh für Bernard Arnault (CEO von LVMH und einer der reichsten Männer der Welt) bezahlt gemacht. Schade ist es natürlich, dass jungen Design-Talenten durch diese Entwicklung so große Chancen verwehrt bleiben und immer nur gefördert wird, was bereits funktioniert. Die Entscheidung für Williams bleibt ebenfalls dieser Linie treu. Vielleicht werden aber am Ende auch die Personen, die momentan ob der Ernennung die Nase rümpfen, begeistert in die Hände klatschen, nachdem Williams seine ersten Looks für Louis Vuitton präsentiert. Man wird sehen, im Juni 2023 dann.