Victoria's Secret Modeschau.

APA/AFP/FRED DUFOUR

Comeback von Victoria's-Secret-Show als Film: Weshalb niemand darauf wartet

Toxisches Körperbild, veraltete Werte und Jeffrey Epstein. Deshalb ist die Rückkehr der Victoria's Secret-Show problematisch.

Die Victoria's Secret Fashion Show war als eines der wichtigsten popkulturellen Events der Welt jahrzehntelang der Inbegriff von Glanz und Glamour. Models, die über diesen Catwalk liefen, wurden über Nacht zu gefragten Stars und konnten sich fortan "Victoria's Secret Angels" nennen. Ein Prädikat, das nicht nur finanziell lukrativ war, sondern auch mit sozialem Status verbunden wurde. Heidi Klum, Adriana Lima, Gisele Bündchen oder auch Kendall Jenner wurde diese "Ehre" zuteil, sie zementierte ihren Status als Supermodels.

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Doch irgendwann, gegen Ende der Zehnerjahre, verschwand der Appeal der Show die Inszenierung wirkte wie aus der Zeit gefallen, da sich gesellschaftliche Standards dank der Body-Positivity-Bewegung und der nächsten Welle im Feminismus langsam aber sicher änderten. Die Brand schien von Skandalen verfolgt und hatte schwere finanzielle Einbußen zu verzeichnen.

Nach einer erfolglosen Änderung der Kommunikationsstrategie wurde die Victoria's Secret Fashion Show nach ihrer Ausgabe 2018 abgesetzt. Kürzlich verlautbarte die Brand aber, wie "USA Today" meldete, Ende 2023 die großen Modenschau zurückbringen zu wollen – als neue Version des alten Konzepts. Der Relaunch soll Frauen nun "eine Stimme geben" und ihre Einzigartigkeit highlighten. Aber wie glaubhaft ist dieses Versprechen überhaupt?

Geschichte und Konzept von Victoria's Secret

Laut "Insider" fand die Victoria's Secret Fashion Show 1995 zum ersten Mal statt und wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem Spektakel. Live aus New York schwebten die "Engel" über den Laufsteg – eine von ihnen durfte stets den sogenannten "Fantasy Bra" tragen, einen speziellen BH, der mit echten Diamanten besetzt war und meistens mehrere Millionen US-Dollar kostete. Wessen Fantasie sollte dieses Schmuckstück anregen? Wohl vor allem die von cis-heteronormativen Männern.

Und genau das war auch das Business-Modell der Marke, wie "Telegraph" erklärt, an dem sich mittlerweile so viele stoßen. Victoria's Secrets Unternehmenskonzept war einfach gestrickt: Die ultimative Männer-Fantasie mithilfe von Frauenkörpern zu kreieren, um Unterwäsche wiederum an Frauen zu verkaufen, die in Folge wieder von Männern betrachtet werden. Es geht bei dieser Strategie weniger um Selbstermächtigung, sondern viel eher darum, den "Male Gaze" zu befriedigen. Von Männern (im Managementboard) für andere Männer gemacht und über Frauen transportiert und konsumiert.

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Models als "Engel"?

Dass die Objektifizierung von Frauenkörpern in der Modewelt oft ein Problem darstellt, ist bekannt. Jedoch schwingt bei Victoria's Secret auch ein unangenehmer Hauch von Patriarchat mit: Engel sind laut "Vivat" symbolisch die Vermittler:innen zwischen Gott und der Welt – sie stehen für Tugend, Unbeflecktheit und das Christentum. Laut dieser Symbolik sind die Frauen, die die Unterwäsche auf dem Laufsteg präsentierten, gleichzeitig außer Reichweite und scheinen dennoch greifbar – sie lächeln und sind fröhlich, sie wirken offen und zugänglich, so als ob sie die Zuschauer:innen einladen, Zeit mit ihnen zu verbringen – dabei tragen sie "angenehmerweise" einen Hauch von nichts. Die wenigsten Engel, die einem in Geschichten, Kirchen oder in Werken von alten Meister:innen begegnen, sind so sexualisiert wie die Engel von Victoria's Secret.

Toxisches Körperbild

Als einer der prominentesten Victoria's Secret Engel sprach das deutsche Model Heidi Klum oft in ihrer Show "Germany's Next Topmodel" über die große Show und was es bedeutete, dafür gecastet zu werden. Dünn zu sein alleine reiche nicht, erklärte Klum ihren "Mädels" bei "GNTM", auch ein durchtrainierter Körper wäre bei Victoria's Secret wichtig. Schaut man sich die Models aber an, die in den letzten Jahrzehnten die Show liefen, wird sehr schnell klar, nach welchem Über-Parameter diese gecastet wurden: vor allem ein niedriger Body-Mass-Index schien essenziell zu sein.

Auch die fehlende Diversität im Engel-Cast wurde öffentlich immer wieder bekrittelt. Der Aspekt der Propagierung eines unrealistischen Körperbilds, der Objektifizierung von Frauen und der fehlenden Diversität brachte die Marke in Folge in Verruf. Die veränderten Ansprüche der Gesellschaft an Modemarken ließen die Umsätze einbrechen und führten zu heftiger Kritik bis hin zum Boykott online.

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Kampagnen, die in der Zwischenzeit von Victoria's Secret gepostet wurden und mehrgewichtige Frauen zeigen, wurden in den sozialen Netzwerken scharf kritisiert, wie "TheList" erklärt. NutzerInnen schrieben auf Twitter, dass dies zwar eine schöne Geste sei, aber niemand wirklich glaube, dass die Marke dies ernst meine. "VS" sei zu lange für ein toxisches Körperbild gestanden, so der Vorwurf. Der Versuch, nun inklusiv zu sein, wäre unglaubwürdig und wirke, als ob es nur darum ginge, Profite einzufahren.

Der Fall Jeffrey Epstein

Im Jahr 2018 fand die vorerst letzte Victoria's Secret Fashion Show statt, nicht nur aufgrund der Covid-Pandemie, sondern vor allem wegen interner Probleme und dem Verkauf der Marke an eine neue Holding. Kurz zuvor wurden auch Berichte um den CEO Leslie Wexner laut, dessen engster Vertrauter der Investmentbanker Jeffrey Epstein war. Dessen Verhaftung, Gerichtsprozess und Todesfall schlug hohe Wellen. Die "New York Times" veröffentlichte Statements von Frauen, die angaben, bei Victoria's Secret-Castings von Epstein tätlich angegriffen und sexuell belästigt worden zu sein. Wie durch die investigative Recherche der "Times" dokumentiert wurde, gab sich in diesem Fall Jeffrey Epstein angeblich als Casting-Direktor aus.

Die Hulu-Dokuserie "Victorias’s Secret: Angels and Demons" beleuchtete medienwirksam, welch problematische Unternehmenskultur nicht nur nach außen kommuniziert wurde, sondern auch im Inneren herrschte. Wexner habe Epstein vollständiges Verfügen über sein privates Vermögen gegeben die Hintergründe wurden regelmäßig öffentlich hinterfragt. Epstein fungierte als Vermögensverwalter des Milliardärs, der seinen Freund später der Veruntreuung von 46 Millionen US-Dollar beschuldigte. Wexner trat 2020 als CEO des Unternehmens zurück und verblieb auch nicht mehr im Management-Board.

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Victoria's Secret Spielfilm

Selbst ohne dem Zutun von kriminellen Aktivitäten rund um Jeffrey Epstein scheint der Name Victoria's Secret mittlerweile fast irreparabel beschädigt zu sein. Nun soll die Marke durch ein neuartiges Konzept aber einen Relaunch erfahren.

Wie "People" berichtete, soll die Dessous-Marke ihre Kollektion erstmals als Spielfilm präsentieren. Der als "The Victoria's Secret Tour" angekündigte Film soll eine Gruppe von 20 Kreativen aus aller Welt bei der Konzeption von vier Modeschauen in Bogotá, Lagos, London und Tokio begleiten.

"Wertschätzung und Schönheit der Frau"

Dabei sollen durch Vertreterinnen aus den Bereichen Mode, Design, Film, Musik und Bildende Kunst maßgeschneiderte "Victoria's Secret"-Designs entstehen. Es gehe dabei zentral um das Thema: "Wertschätzung und Schönheit der Frau". Der international zum Streamen angebotene Film verfolgt den Entstehungsprozess und zeigt in Folge das Endergebnis. Im Herbst soll zusätzlich ein Live-Mode-Event geplant sein.

Topmodel Bella Hadid scheint ebenfalls ein Teil der neuen Kampagne zu sein. Sie postete einen "Behind-The-Scenes"-Schnappschuss auf ihrem Instagram-Profil mit der Beschreibung "Neue Victoria's Secret Kampagne ist jetzt draußen." Wie "Insider" berichtet, zeigten sich ihre Fans aber nicht begeistert von der Kooperation. Diese bekrittelten abermals die Inklusivität der Marke und prangerten an, dass Bella dem früheren Idealtyp der "Engel" entspreche. Gleichzeitig forderten andere, auch dünne Menschen nicht vom Diskurs auszuschließen, schließlich sollten auch sie repräsentiert werden.

Fragen bleiben offen

In der Theorie klingt die generelle Idee zum Relaunch zwar stimmig, aber wird die neue Strategie überhaupt glaubhaft sein? Victoria's Secret wird sich langfristig beweisen müssen, um diese neue Unternehmenskultur zu etablieren. Werden die Versuche, mit dem Zeitgeist zu gehen und alte, toxische Bilder abzulegen, gelingen? Eine grundsätzliche und vielleicht auch provokative Frage stellt sich in dieser Hinsicht ebenso: Jetzt, wo es Savage x Fenty und andere inklusive Brands gibt, wie viel Relevanz hat Victoria's Secret überhaupt noch?