APA - Austria Presse Agentur

250.000 Tschechen fordern Rücktritt von Regierungschef Babis

Rund 250.000 Tschechen haben am Samstag bei einer Demonstration in Prag den Rücktritt von Regierungschef Andrej Babis gefordert. Einen Tag vor dem 30. Jahrestag der Samtenen Revolution, die die kommunistische Herrschaft in Prag beendet hatte, versammelten sich die Menschen auf der weitläufigen Letna-Ebene über der Moldau und skandierten "Schande" und "Tritt zurück!".

"Eine Million Augenblicke für Demokratie" sprachen von einer Viertelmillion Teilnehmern. Die Polizei bestätigte die Teilnehmerzahl. Der 65 Jahre alte Multimilliardär missbrauche seine Macht und stehe als Unternehmer und Politiker in einem ständigen Interessenskonflikt, erklärten die Demonstranten.

Der Milliardär Babis, der ein Medien- und Industrie-Imperium in Tschechien geschaffen hat, führt eine Minderheitsregierung, die von den Kommunisten im Parlament toleriert wird. Er steht im Verdacht, mit seinem Konzern Agrofert unrechtmäßig EU-Subventionen in Millionenhöhe eingestrichen zu haben. Während er die Vorwürfe zurückweist, sieht die EU-Kommission zudem einen möglichen Interessenskonflikt zwischen seiner Funktion als Politiker und als Unternehmer.

Seit Ende April gibt es in Prag und anderen Städten in Tschechien immer wieder Kundgebungen gegen Babis. Er war laut Unterlagen der kommunistischen Geheimpolizei in den 80er Jahren einer ihrer Mitarbeiter. Auch dies bestreitet Babis. Zuletzt hatten im Juni rund 250.000 Tschechen bei einer Demonstration in Prag seinen Rücktritt gefordert.

Die Niederschlagung einer friedlichen Studentendemonstration am 17. November 1989 hatte den Beginn der Samtenen Revolution, der demokratischen Wende in der damaligen Tschechoslowakei, markiert. "Es sieht heute nicht so aus, wie wir uns das damals vorgestellt haben", sagte einer der Demonstranten am Samstag. "30 Jahre nach der Samtenen Revolution haben wir eine Regierung, die von den Kommunisten toleriert wird", kritisierte eine andere Frau.

Babis hatte den Demonstranten im Vorfeld vorgeworfen, die "Atmosphäre des Jahrestags" zu missbrauchen. Ihre Beweggründe verstehe er nicht. Der gebürtige Slowake steht an der Spitze einer Minderheitsregierung aus seiner populistischen Partei ANO (Tschechisch für "Ja") und der sozialdemokratischen CSSD, die von den Kommunisten (KSCM) geduldet wird.