APA - Austria Presse Agentur

260 Festnahmen bei Protesten in Weißrussland

Bei den Protesten in Weißrussland gegen den umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko sind in Minsk und anderen Städten etwa 260 Menschen festgenommen worden. Das teilte das Menschenrechtszentrum Wesna in der Nacht auf Freitag in Minsk mit. Wesna veröffentlichte eine Liste mit den Namen aller Festgenommenen. Die EU zeigte sich indes gespalten, ob Lukaschenko mit Sanktionen belegt werden soll.

Die meisten wurden demnach am Donnerstagabend in der Hauptstadt von Sicherheitskräften aufgegriffen. Es war die höchste Zahl seit Tagen. Nach Angaben des belarussischen Journalistenverbandes kamen auch etwa 50 Journalisten vorübergehend in Polizeigewahrsam. Die meisten seien nach einer Überprüfung ihrer Dokumente wieder freigekommen, teilte der Verband mit. Unter ihnen seien auch ausländische Reporter gewesen, darunter eine Korrespondentin der Deutschen Welle. Ein schwedischer Journalist sollte an diesem Freitag ausgewiesen werden.

In Weißrussland benötigen Medienschaffende neben einem Visum auch eine Akkreditierung. Die Behörden der Ex-Sowjetrepublik hatten zuletzt Journalisten ohne diese Arbeitserlaubnis bereits am Flughafen in Minsk zurückgewiesen. Dem Journalistenverband zufolge waren am Freitagfrüh noch vier Medienleute in Polizeigewahrsam.

Die Sicherheitskräfte hatten eindringlich davor gewarnt, an ungenehmigten Demonstrationen teilzunehmen. Die Uniformierten waren bis Anfang dieser Woche kaum eingeschritten - nach der massiven Polizeigewalt am 9. August und den Folgetagen. Die Proteste richten sich gegen Staatschef Lukaschenko, der den Wahlsieg bei der Abstimmung am 9. August für sich beansprucht. Die EU erkennt die Wahl nicht an. Sie steht als grob gefälscht international in der Kritik. Länder wie Russland und China gratulierten Lukaschenko zum Sieg.

Die EU-Außenminister waren in der Frage indes gespalten, ob Lukaschenko mit Sanktionen belegt werden soll. Litauen und Tschechien sprachen sich am Freitag beim Treffen mit ihren EU-Kollegen in Berlin dafür aus. Luxemburg verwies dagegen darauf, dass dies Vermittlungsbemühungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erschweren könnte.

Die EU-Außenminister hatten schon Mitte August grundsätzlich beschlossen, Verantwortliche für Wahlbetrug und Gewalt gegen Demonstranten mit Sanktionen zu belegen. Der EU-Rat erstellt derzeit eine Liste mit Betroffenen, gegen die Einreiseverbote und Kontensperrungen erlassen werden sollen. "Wir sind uns im Allgemeinen darüber einig, wie die Liste strukturiert ist und wer darauf steht", sagte der tschechische Außenminister Tomas Petricek. Auf ihr würden vorerst "etwa 20 Leute" stehen. Die Minister hätten den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell aufgefordert, eine erste Sanktionsliste bis zum nächsten Außenministertreffen am 24. September fertigzustellen.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte dazu, die Diskussionen über die Sanktionen gingen weiter. Bei Lukaschenko müsse die EU beachten, dass die OSZE sich um eine Vermittlung zwischen Lukaschenkos Regierung und der Opposition bemühe. "Die wollen natürlich auch die Möglichkeit behalten, dass man irgendwie einen Dialog in diesem Land zustande bringt."

Die Ukraine hat die Kontakte zum Nachbarstaat auf diplomatischer Ebene eingefroren. "Erst wenn wir uns davon überzeugen, dass diese Kontakte keinen Rufschaden oder Schäden im moralischen und politischen Sinne für die Ukraine haben werden, dann werden die Kontakte wieder erneuert", sagte Außenminister Dmitri Kuleba.

Anlass sei unter anderem das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte in Weißrussland gegen Demonstranten, so Kuleba im ukrainischen Fernsehen. "Wir brechen die Beziehungen zu Belarus nicht ab", sagte er. Doch Vorbereitungen zu Treffen werden vorerst eingestellt, bis sich die Lage wieder stabilisiere. Kiew hatte seinen Botschafter bereits am 17. August aus Minsk zu Beratungen abgezogen. Sein Land werde über Sanktionen entscheiden, sobald sich zeige, was die EU unternehme, erklärte Kuleba. Weißrussland reagierte laut der dortigen Nachrichtenagentur tut.by, indem es erklärte, keine Ratschläge von der Ukraine zu benötigen.

Zuvor hatte Weißrussland mutmaßliche russische "Söldner", die vor der Wahl festgenommen worden waren, nach Russland ausreisen lassen. Die Ukraine hatte wegen ihrer möglichen Beteiligung am Krieg im Donbass auf der Seite prorussischer Separatisten um ihre Auslieferung ersucht. Kremlchef Wladimir Putin hatte die Festnahme der mehr als 30 Männer erst am Donnerstag als eine Operation ukrainischer und amerikanischer Geheimdienste bezeichnet.