APA - Austria Presse Agentur

2.670 Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen in Chile

Die chilenische Staatsanwaltschaft hat offenbar auf Kritik von Organisationen wie Amnesty International reagiert, die von teils gewaltsamem Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten bei den Protesten der vergangenen Wochen gesprochen hatten. In insgesamt 2.670 Fällen werde nun gegen Angehörige von Polizei und Militär ermittelte, berichtetet das Internet-Portal "amerika21.de" am Montag.

Laut einer Aussendung der Staatsanwaltschaft wird in diesen Fällen Verdachtsmomenten von Menschenrechtsverletzungen nachgegangen. Die Untersuchungen umfassen den Zeitraum vom Beginn der Proteste am vergangenen 18. Oktober bis zum 10. November.

Da es sich dabei aber nur um zur Anzeige gebrachte Taten handelt, dürfte die Dunkelziffer um einiges höher liegen, vermutetet das auf Lateinamerika spezialisierte Portal "amerika21.de". Aus Angst vor weiteren Repressionen oder Vergeltungen melden die Opfer ihre Verletzungen häufig nicht bei den Behörden.

Die überwiegende Mehrheit der Anzeigen richten sich gegen den exzessiven Einsatz von Gewalt (1.679 Fälle), hieß es. Die zweitgrößte Gruppe bilden Schussverletzungen mit 720 Vorkommnissen. Aber auch wegen des Verdachts von Folterungen in 44 Fällen sowie 26-facher Vergewaltigung bzw. sexueller Misshandlung werden Ermittlungen durchgeführt.

Die Staatsanwaltschaft reagiert damit offenbar auch auf zunehmende internationale Kritik und die Berichte von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (AI) und Human Rights Watch, welche die massive Gewalt gegen Demonstranten verurteilt hatten. Das chilenische Institut für Menschenrechte (INDH) gab am Wochenende neue Zahlen zu Anzeigen und Verletzen bekannt. Demnach sind unter anderem sechs Anzeigen wegen Mordes sowie weitere neun wegen versuchten Mordes erstattet worden. Das INDH gibt die Zahl der Folteranschuldigungen mit 458 um mehr als das zehnfache höher an als die Staatsanwaltschaft. Insgesamt sei in 580 Fällen Strafantrag gestellt worden.

Präsident Sebastián Piñera gerät "amerika21.de" zufolge nun zunehmend unter Druck. Wie das Meinungsforschungsunternehmen Criteria erhob, sind nur noch zwölf Prozent der Chilenen mit seiner Arbeit zufrieden, ein Minus von vier Prozent im Vergleich zum Vormonat. Die Unzufriedenheit stieg gleichzeitig um sechs Punkte auf 84 Prozent, lediglich vier Prozent sind der Meinung, der konservative Präsident sei in der Lage, das Land zu befrieden.