APA - Austria Presse Agentur

73 Tote durch Vorrangverletzungen: Höchster Wert seit langem

Die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmer durch Vorrangverletzungen ist 2022 auf einen Rekordwert gestiegen - laut Kuratorium für Verkehrssicherheit auf den höchsten "seit mindestens zehn Jahren". Das ist auch deutlich höher als der Zehnjahresschnitt von 55 Toten pro Jahr, berichtete Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung. Einspurige Fahrzeuge sind besonders gefährdet. Im Vorjahr waren zudem auffällig viele Fußgänger betroffen.

Motorradfahrer beispielsweise haben in den vergangenen fünf Jahren laut KFV-Daten nur rund ein Prozent der Vorrangverletzungsunfälle verursacht. Ihr Anteil an den Getöteten liegt aber bei 27 Prozent.

Vorrangverletzungen sind die zweithäufigste Hauptunfallursache bei Verkehrsunfällen mit Personenschäden. Die gefühlte Wahrnehmung der Bevölkerung ist eine ganz andere: Beim jüngsten KFV-Präventionsmonitor vermutete die Summe der Befragten diese Ursache erst auf Platz zwölf, tatsächlich pendle ihr Anteil seit zehn Jahren zwischen 21 und 25 Prozent. Für 2022 liegt der Anteil am Gesamtunfallgeschehen noch nicht vor, aber die Anzahl der Getöteten durch Vorrangverletzungen bezeichnet Robatsch als besorgniserregende Entwicklung.

Seit Einführung der digitalen Zählweise UDM (Unfalldatenmanagement) wurden auch noch nie mehr Unfälle aufgrund von Vorrangverletzungen gezählt als im Vorjahr. Mit UDM wird von der Exekutive bei allen Verkehrsunfällen mit Verletzten oder Toten elektronisch die vermutete Hauptursache erfasst.

Laut vorläufigen Ergebnissen für 2022 befanden sich unter den Verunglückten mindestens 27 Pkw-Insassen, elf Fußgänger, neun E-Bike-Nutzer, neun Motorrad-Nutzer, sechs Moped- und drei Fahrrad-Nutzer. Hinzu kommen E-Scooter-, Microcar- und Leichtmotorrad-Nutzer. Der Anteil der Fußgängerinnen und Fußgänger war laut KFV ungewöhnlich hoch. Im längerfristigen Vergleich (2017 bis 2021) rangieren hingegen anteilsmäßig nach den Pkw-Insassen (29 Prozent) die Motorrad-Nutzer (27 Prozent) an zweiter Stelle, gefolgt von Fahrrad-Nutzern (19 Prozent), Fußgängern (16 Prozent) und Moped-Nutzern (vier Prozent).

Die überwiegende Mehrheit der Verletzten (78 Prozent) und Getöteten (60 Prozent) waren nicht die Hauptunfallverursacher. Noch größer ist der Unterschied bei Einspurigen, aber auch Passantinnen und Passanten. Vor allem Motorradfahrerende werden "besonders durch andere Verkehrsteilnehmer, die den Vorrang missachten, gefährdet", sagte Robatsch.

Das KFV plant eine Befragung und einen Austausch mit Fachleuten zur Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen. Zu den zentralen Forderungen gehören "unkompliziertere gesetzliche Regelungen, damit auch zu Fuß Gehende, Radfahrende und andere Personengruppen, die ohne Führerschein am Verkehrsgeschehen teilnehmen, die Vorrangregeln leichter verstehen". Nötig sei aber auch Bewusstseinsbildung, damit diese eingehalten werden.

Details aus der KFV-Analyse: Die meisten Vorrangverletzungsunfälle weist die Statistik für die Zeit von 16.00 bis 18.00 Uhr aus, also rund um den Feierabendbeginn. Die meisten Todesopfer gibt es im August. Am Tag vor dem Wochenende ereignen sich die meisten Vorrangverletzungsunfälle mit Personenschäden. Am Sonntag passiert am wenigsten. 20 bis 29 Jahre alte Pkw-Lenkende sind am häufigsten die Hauptunfallverursacher, an zweiter Stelle rangieren 50 bis 59 Jahre alte Pkw-Lenkende. Von 2017 bis 2021 wurden 277 Menschen bei Vorrangverletzungsunfällen getötet, 112 davon waren die Hauptverursacher (73 Männer, 39 Frauen). Auch unter den 165 getöteten "nicht Hauptunfallverursachern" waren mehr Männer (104) als Frauen (61).