APA - Austria Presse Agentur

Im Bann des Ukraine-Kriegs: 77. UNO-Vollversammlung

New York wird ab kommenden Dienstag wieder zur großen Weltbühne. Staats- und Regierungsspitzen aus aller Welt eilen zur Generaldebatte der 77. UNO-Vollversammlung, die ab Dienstag an den Ufern des Hudson Rivers abgehalten wird.

Für Österreich werden Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) ihre Auftritte haben und zahlreiche bi- sowie multilaterale Treffen absolvieren.

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Zeitenwende ab 24. Februar stehen

Diese werden - so wie die gesamte UNO-Vollversammlung - großteils im Bann der Zeitenwende ab 24. Februar stehen. "Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und seine Auswirkungen hat die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen noch weiter an Bedeutung gewonnen", diagnostizierte daher auch Nehammer im Vorfeld. Gerade die Erfolge, "die durch die Bemühungen von UNO-Generalsekretär António Guterres und seinem Team durch die Einrichtung grüner Korridore zum Export der ukrainischen Getreideernte für die weltweite Ernährungssicherheit erreicht wurden, zeigen das einmal mehr", so der Bundeskanzler. "Frieden und Sicherheit sind seit 24. Februar auch für uns in Europa keine Selbstverständlichkeit mehr. Das bedeutet aber auch, dass sich die Sicherheitsarchitektur unseres Kontinents verändert hat und wir noch viel stärker auf mögliche Konfliktherde achten müssen und jede Möglichkeit zum Dialog nützen müssen."

Während Nehammer und Schallenberg am Montag von Wien aus zum "Big Apple" aufbrechen, reist Van der Bellen am selben Tag aus London an, wo er zuvor am Begräbnis von Queen Elizabeth II. teilnimmt. In New York wird der Bundespräsident im Rahmen der UNO-Generalversammlung laut seinem Büro "ein 48-stündiges Marathon-Programm am internationalen Polit-Parkett" absolvieren. Weil: "Länderübergreifende Kooperation ist angesichts der aktuellen Herausforderungen besonders wichtig."

Der Bundespräsident wird in New York daher eine Reihe von bilateralen Gesprächen führen, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sowie dessen Folgen zum Thema haben. Gemeinsam mit Nehammer und Schallenberg wird Van der Bellen am Mittwoch UNO-Generalsekretär António Guterres, aber auch Staatsoberhäupter von Ländern treffen, "die eine wesentliche Rolle als Vermittler spielen, wichtige Energieproduzenten sind, oder die von den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine als direkte Nachbarn besonders betroffen sind." Auch ein Gespräch mit dem vor einer Woche ernannten neuen UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, dem Österreicher Volker Türk, ist geplant.

Treffen Van der Bellens mit Erdogan

Besondere Bedeutung kommt wohl einem Treffen Van der Bellens mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu. Laut Präsidentschaftskanzlei ist das Gespräch Mittwoch Mittag (Ortszeit) im UN-Head-Quarter geplant. Bilateral war die Stimmung zwischen Wien und Ankara längere Zeit frostig gewesen, in den vergangenen Monaten gab es aber wieder vermehrt Kontakte auf Regierungsebene. "Themen werden unter anderem der russische Angriffskrieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen sein, spielt die Türkei doch eine wesentliche Rolle als Vermittler", wurde seitens der Präsidentschaftskanzlei festgehalten.

Weiters stehen eine Rede vor der Vollversammlung (Mittwoch Vormittag) sowie Treffen mit den Staatsspitzen aus Kasachstan (Kassym-Schomart Tokajew) und Moldau (Mai Sandu) auf dem Programm. Dem Bundespräsidenten sei es wichtig, mit den internationalen Verantwortungsträgern im engen Austausch zu bleiben und ihnen die österreichische Position zu vermitteln, wurde im Vorfeld betont. Im Zuge des New York-Besuchs wird auch die auf österreichische Initiative zurückgehende Hochrangige Veranstaltung zu Minderheiten im UNO-Hauptquartier eröffnet. Nach einem Statement von Guterres wird Van der Bellen dort als erster Staatenvertreter eine Rede halten. Seinen "48-stündigen New York-Marathon" werde der Bundespräsident am Mittwochabend bei einem Empfang von US-Präsident Joe Biden beenden, so die Präsidentschaftskanzlei.

Bundeskanzler Nehammer nimmt zum Auftakt am Montag im UN-Headquarter am "Transforming Education Summit" teil und wird dabei eine Rede halten. "Bildung und Digitalisierung" seien "in unserer globalisierten Welt wichtige Themen, um uns für die Zukunft und vor allem für die Zukunft unserer Kinder zu rüsten gerade auch nach der COVID-Pandemie, die den Schulalltag massiv beeinträchtigt hat", hieß es. Zusammenarbeit in der Aus- und Weiterbildung über die Landesgrenzen hinweg gewinne immer stärker an Bedeutung. Die Herausforderungen für unsere Bildungssysteme und vor allem Lösungsansätze zur Gewährleistung "hochwertiger Bildung" im Sinne der VN-Nachhaltigkeitsziele sollen daher beim Transforming Education Summit gemeinsam diskutiert werden."

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Am selben Tag trifft der Kanzler den ehemaligen US-Außenminister und Politikwissenschaftler Henry Kissinger (99). In Folge sind Gespräche mit den Regierungschefs aus Pakistan (Shebaz Sharif), dem Irak (Mustafa al-Kadhimi) sowie mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić vorgesehen. Dabei will Nehmmer auch erneut das Thema "Migration" aufs Tapet bringen. "Irreguläre Migration über Kontinente hinweg betrifft vor allem Europa und insbesondere Österreich besonders stark. Ich werde mich daher in New York auch mit den Staats- bzw. Regierungschefs von Irak, Pakistan und Serbien treffen, um über stärkere Kooperationen im Bereich der Rückführungen und im Kampf gegen Illegale Migration zu sprechen."

Darüber hinaus findet ein Treffen mit dem Bürgermeister von New York, Eric Adams, statt. Zum Abschluss der Reise überreicht der Bundeskanzler am Mittwoch gemeinsam mit dem Außenminister österreichische Staatsbürgerschaftsbescheide an Nachkommen von Holocaust-Überlebenden im Österreichischen Generalkonsulat in New York und besucht Rabbi Arthur Schneier in der Park East Synagogue.

Auch Schallenberg nahm vor der Abreise nach New York Bezug zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und seine globalen Folgen. "Letzten September habe ich in New York davor gewarnt, dass die Pandemie als Brandbeschleuniger wirkt und bestehende geopolitische Spannungen anheizen kann. Keiner von uns hätte sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen können, dass wir nur wenige Monate später Zeuge einer geopolitischen Zeitenwende werden und der Krieg zurück nach Europa kommt. Seit dem 24. Februar erleben wir die bittere Realität der unmenschlichen Gräueltaten unmittelbar vor unserer Haustüre."

"Der Krieg mag auf dem europäischen Kontinent stattfinden, aber er ist wahrlich kein europäischer", so Schallenberg. "Überall auf der Welt spüren die Menschen die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffs von Putin. Sei es durch Nahrungsmittelknappheit, die gestiegenen Energiekosten oder gekappte Lieferketten. Der Kreml setzt Getreide und Gas als Waffen ein und befeuert damit globale Krisen, die Millionen von Menschen in Armut und Not stürzen, erklärte der Außenminister, der in New York mit seinen Amtskollegen von Armenien (Ararat Mirsojan) und Aserbaidschan (Jeyhun Bayramov), Ruanda (Vincent Biruta), Indien, (Subrahamyam Jaishankar), Kirgistan (Scheenbek Kulubajew), Katar (Sheikh Mohammes bin Abdulrahaman Al-Thani), Usbekistan (Wladimir Norow) und aus dem Iran (Hossein Amir-Abdollahian) konferieren wird.

Völkerrecht über dem Recht des Stärkeren

"Entscheidend ist, dass wir gemeinsam mit gleichgesinnten Partnern in den nächsten Tagen in New York geeint ein Ziel verfolgen: Wir müssen gegen das Narrativ des Kremls auftreten, die russische Propagandamaschinerie entlarven und auch weiter geeint an der Seite der Ukraine und ihrer Bevölkerung stehen. Wo, wenn nicht an der UNO in New York, müssen wir zusammen dafür einstehen, dass das Völkerrecht über dem Recht des Stärkeren steht und dass wir für eine auf Regeln basierende Weltordnung kämpfen müssen." Voraussichtlich am Donnerstagabend wird der Außenminister eine Rede vor der UNO-Generalversammlung halten.

Wegen des Angriffs auf die Ukraine haben die USA ebenso wie viele andere westliche Staaten scharfe Strafmaßnahmen gegen Moskau verhängt. Unter anderem erließ Washington Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow, die auch ein Einreiseverbot in die USA umfassen. Entsprechend einer 1947 getroffenen Vereinbarung, dürfen die USA Repräsentanten der UNO-Mitgliedsstaaten aber nicht von einer Reise zum UNO-Hauptquartier in New York abhalten.

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Im Vorfeld der von 20. bis 26. September anberaumten Generaldebatte in New York hatte es Spannungen um Visa für russische Diplomaten gegeben, die Moskau zufolge nur schleppend, verzögert oder gar nicht ausgegeben wurden. "Die Ausgabe von Visa ist eine legale Pflicht des Gastgeberlandes, nicht ein Anrecht oder ein Privileg", bemängelte daher der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensia.

Offen war auch noch, ob Irans Präsident Ebrahim Raisi wie gewünscht an der UNO-Generalversammlung in New York teilnehmen kann. Der erzkonservative Politiker steht in den USA auf einer Sanktionsliste. Auch bei ihm war die Visumsfrage vorerst weiter ungeklärt.