Absurdes Erzähltheater: Gogols "Die Nase" im Wiener Hamakom

"Die Nase" im Hamakom
Beweist man einen guten Riecher, wenn man zur ersten Premiere der 15. Spielzeit im Theater Nestroyhof Hamakom pilgert? Oder fühlt man sich an der Nase herumgeführt? Solche Kalauer handelt sich normalerweise nur Edmond Rostands "Cyrano de Bergerac" ein. Im Hamakom hat man jedoch eine Bühnenversion von Gogols Novelle "Die Nase" angesetzt. Die Version von Regisseur Nicolas Charaux entpuppte sich am Dienstag als 80-minütiges absurdes Erzähltheater mit toller Musik.

Charaux, seit 2009 in Wien lebender Franzose, hat gemeinsam mit Dramaturgin Barbara Noth eine Spielfassung für drei wandelbare Schauspieler (Lena Kalisch, Jakob Immervoll und Okan Cömert) erarbeitet, die von Ausstatter Ali Frühstück in kunstvoll zerrissene Kostüme gesteckt und vor eine mit Rollbalken verschlossene Garage gesetzt werden. Diese entpuppt sich später als grün ausgekleidete Box, die als Wohnung, Wartesaal oder Redaktionsstube dienen und von hinten durch eine Lifttüre betreten werden kann. Dahinter umspülen Wellen einen Strand.

Realistisch kann in einer satirischen Erzählung, in der sich eine Nase selbstständig macht und zum Staatsrat aufsteigt, wohl nichts sein, und politisch daraus eine Parabel über autoritäre Tendenzen und den Verlust der Mitte zu machen, darauf hat Charaux keine Lust. Dafür scheut er sich nicht, die entsprungene Nase des Kollegienassessors Kowaljow, der sich um sein Zentralorgan beraubt so gar nicht mehr gesellschaftsfähig fühlt, leibhaftig vorzuführen: einmal als Gesichtsmaske und einmal als Körperskulptur. Die große Nase sorgt auch für eine der besten Szenen des durchaus kurzweiligen Abends: Sie erzählt eine Schlüsselszene aus John Carpenters Film "Dark Star", in der eine Bombenentschärfung mittels Existenzialismus-Diskussion scheitert. Viel absurder und gleichzeitig lustiger geht's kaum mehr.

Das Ganze wird von Live-Musiker Sixtus Preiss zusammengehalten. Auf der linken Bühnenseite hat er sein Instrumentarium aufgebaut, und wenn er seinem Hackbrett die erstaunlichsten Sounds entlockt und gleichzeitig die unterschiedlichsten weiteren Musikinstrumente bedient, dann wird man mit der Nase darauf gestoßen, wie wichtig gute Bühnenmusik ist.

Am Ende gibt es viel Applaus für eine Produktion, die noch bis 19. Oktober im Hamakom auf dem Programm steht. Das Begleitprogramm bietet am 27. September eine Diskussionsrunde zum Thema "Verlust der Mitte" und am 13. Oktober eine Matinee mit satirischen Texten von Gogol. Am 24. und 25. Oktober liest dann Marlene Streeruwitz, unterstützt von Anne Bennent, Michou Friesz und Ingrid Lang, aus ihrem Handbuch für die Liebe.

Als zweite Eigenproduktion hat Gesa Berings "Kommen Sie, bleiben Sie!" für drei Performer:innen und einen Schlagzeuger am 4. Dezember in Sam's Bar Premiere. Rose Breuss und Christoph Bochdansky zeigen ab 11. Jänner 2025 "fragments out of time", ein Theaterstück mit Tanz und Puppenspiel. Die Gruppe Glitch schaut sich dann ab 22. Jänner "Auf der gelben Straße" nach Veza Canetti und Charlotte P. Gilman um, ehe Ingrid Lang am 9. April mit einem kurzen Stück von Tom Stoppard ihren "Separatfrieden" macht.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Die Nase", nach der Novelle von Nikolaj Gogol in einer Fassung von Nicolas Charaux und Barbara Noth, Regie: Nicolas Charaux, Theater Nestroyhof Hamakom, Wien 2, Nestroyplatz 1. Weitere Vorstellungen: 26. und 28. September, 2., 3., 4., 9., 10., 11., 12., 16., 17. und 19. Oktober, 20 Uhr, Publikumsgespräch am 2. Oktober. www.hamakom.at)

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