Russland: Älteste Menschenrechtsorganisation verboten

Anwälte der Helsinki-Gruppe wollen Verbot anfechten
In Russland geht die Repression der letzten regierungskritischen Stimmen im Land weiter.

Ein Gericht ordnete am Mittwoch die Auflösung der Moskauer Helsinki-Gruppe an, der ältesten russischen Menschenrechtsorganisation. Es habe "die Bitte des russischen Justizministeriums erfüllt" und die "Auflösung" dieser Nichtregierungsorganisation und ihre Löschung aus dem Register juristischer Personen angeordnet, erklärte das Moskauer Gericht im Online-Dienst Telegram. 

Vertreter der Helsinki-Gruppe kündigten an, die Entscheidung anfechten und weiter für die Verteidigung der Menschenrechte arbeiten zu wollen.

Verbot von Aktivitäten auf russischem Gebiet gefordert

Ende Dezember hatte die Moskau-Abteilung des Justizministeriums einen Antrag gestellt und die "Auflösung der Moskauer Helsinki-Gruppe und ein Verbot ihrer Aktivitäten auf russischem Gebiet" gefordert. Der Nichtregierungsorganisation wurde vorgeworfen, ihren regionalen Status verletzt zu haben, indem sie außerhalb von Moskau agierte. So habe die NGO Prozesse beobachtet und an Veranstaltungen regionaler Partner teilgenommen. Die Anwälte der Moskauer Helsinki-Gruppe kündigten umgehend an, in Berufung zu gehen.

Die Moskauer Helsinki-Gruppe wurde 1976 zu Sowjetzeiten gegründet und war bisher die älteste noch aktive Menschenrechtsorganisation in Russland. Über Jahrzehnte wurde sie von der Dissidentin Ljudmilla Alexejewa geleitet, die zu einem Symbol der Widerstands im modernen Russland wurde. Sie starb 2018.

Der Name der Helsinki-Gruppe bezog sich auf die sogenannte Schlussakte von Helsinki der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) aus dem Jahr 1975, mit deren Unterzeichnung sich die Regierung der Sowjetunion zur Achtung grundlegender Menschenrechte bekannte. Die Helsinki-Gruppe setzte sich zum Ziel, auf die Einhaltung dieses Versprechens zu pochen.

Mitglieder des Landes verwiesen

Die Mitglieder der Gruppe wurden jedoch inhaftiert, schikaniert und des Landes verwiesen – und von den sowjetischen Behörden derart unter Druck gesetzt, dass die Moskauer Helsinki-Gruppe ihre Tätigkeit 1982 zunächst einstellte und sie erst 1989, zur Zeit der Perestrojka-Reformen unter dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, wieder aufnahm.

"Die Arbeit zur Verteidigung der Menschenrechte und die Bewegung selbst werden natürlich nicht aufhören", erklärte Roman Kiseljow, Leiter der Rechtsprogramme der Helsinki-Gruppe in Moskau, zu AFP. Da jedoch mit der nun beschlossenen Auflösung alle Aktivitäten der NGO in Russland verboten würden, werde man "eine Entscheidung über ihre Zukunft treffen müssen".

Der prominente Anwalt Genri Resnik kommentierte die Auflösung der Helsinki-Gruppe gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti mit den Worten: "Das Leben ist lang, jede Entscheidung könnte revidiert werden und ich hoffe, bis zum Tag zu leben, an dem die Moskauer Helsinki-Gruppe wieder auflebt." Er sagte zudem: "Menschen gehen, Regime werden sich ändern."

Das Vorgehen gegen die Helsinki-Gruppe erinnert an die Auflösung der Organisation Memorial im Dezember 2021. Memorial setzte sich für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung und des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, aber auch für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte im heutigen Russland ein. Nach der Auflösung wurde Memorial im Herbst 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Die russische Regierung geht seit dem Beginn der Militäroffensive gegen die Ukraine verstärkt gegen ihre Kritiker vor. Die Behörden nutzen eine Reihe von Gesetzen, die Kritik unterdrücken sollen und bis zu 15 Jahre Haft für die Verbreitung "falscher Informationen" über das Militär vorsehen. Der Großteil der russischen Opposition ist inzwischen entweder im Gefängnis oder im Exil.

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