Amnesty: Einschränkung friedlicher Proteste in Europa

"Systematische Unterdrückung" am ganzen Kontinent festgestellt
In Europa wird einem jüngsten Bericht von Amnesty International zufolge der friedliche Protest von Demonstrantinnen und Demonstranten "systematisch eingeschränkt und unterdrückt".

Gewaltfreie Versammlungen würden zunehmend stigmatisiert, kriminalisiert und unterdrückt, hieß es von der NGO. Behörden würden ungerechtfertigte Einschränkungen verhängen und Strafmaßnahmen gegen Teilnehmende einleiten. Auch Österreich steht in der Kritik.

Hierzulande würden Straflosigkeit bei Polizeigewalt, kriminalisierende Narrative und sogenanntes "Ethnic Profiling" das Recht auf Versammlungsfreiheit bedrohen. Unter "Ethnic Profiling" versteht man die Ungleichbehandlung unter anderem aufgrund ethnischer Herkunft oder Religion.

In dem jüngsten Bericht, in dem die Lage in 21 Ländern in Europa analysiert wurde, habe sich laut Amnesty ein Muster repressiver Gesetze, übermäßiger Gewaltanwendung, willkürlicher Festnahmen und strafrechtlicher Verfolgung gezeigt. Zudem seien ungerechtfertigte oder diskriminierende Einschränkungen sichtbar geworden. Die Probleme hätten sich über den gesamten Kontinent erstreckt. Der Einsatz invasiver Überwachungstechnologien wurde ebenfalls kritisiert.

"Zutiefst beunruhigendes Bild"

"Die Recherchen von Amnesty International zeichnen ein zutiefst beunruhigendes Bild eines europaweiten Angriffs auf das Recht auf Protest", sagte Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. "Das Recht zu protestieren, droht in Europa durch tausende Maßnahmen schrittweise abgeschafft zu werden. Menschen, die auf die Straße gehen, sehen sich einer Lawine von zunehmend repressiven Einschränkungen, strafrechtlichen Sanktionen, staatlicher Gewalt, Diskriminierung und allgegenwärtiger Überwachung gegenüber."

In Österreich sei besonders negativ zu sehen, dass beschuldigte Polizeibeamte lange Zeit straflos blieben, so Amnesty. Dabei sei Österreich mit dieser Problematik aber nicht allein. Länder wie Belgien, Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien, Portugal, Spanien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich stünden diesbezüglich ebenfalls in der Kritik.

"Bei Versammlungen kommt es oft zu ungerechtfertigter Gewaltanwendung durch die Polizei - und hier herrschte in Österreich in den letzten Jahren ein Klima der Straflosigkeit", so Charlotte Deiss, Juristin bei Amnesty International Österreich. Zu oft würden Verfahren, wenn es überhaupt dazu komme, eingestellt werden. Außerdem sei in der Vergangenheit oft mit Gegenklagen durch die Polizei geantwortet worden, hieß es in dem Bericht.

"Seit heuer gibt es nun endlich die Ermittlungs- und Beschwerdestelle und das war ein erster wichtiger Schritt, um Missbrauchsvorwürfe gegen die Polizei zu untersuchen", sagte Deiss. Sie forderte aber eine individuelle und verpflichtende Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten. Neben Österreich müssen Polizisten nur in Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Serbien auch keine Kennzeichnung tragen.

Generell würden auch politische Entscheidungsträger mit vielen negativen Wortmeldungen zu einem "toxischen Umfeld" für friedliche Proteste führen, so Zehetner-Hashemi. Sowohl in Deutschland, Italien, Spanien als auch in der Türkei wären Klimaaktivistinnen und -aktivisten auch mit terrorismusbezogenen Bestimmungen und mit Gesetzen zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und zum Schutz der nationalen Sicherheit ins Visier genommen worden. Auch in Österreich wurden Klimaaktivisten unter anderen wegen des Straftatbestands der "schweren gemeinschaftlichen Gewalt" angezeigt - das Verfahren wurde letztlich eingestellt.

"Wir fordern dringend ein Ende dieser Kriminalisierung von Protest. Die Politik muss anerkennen, dass friedliche Proteste und Handlungen des zivilen Ungehorsams durch die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit geschützt sind - und legitime Akte einer lebendigen Demokratie sind", sagte Deiss.

Zudem dürften Journalisten nicht an ihrer Arbeit gehindert werden. Amnesty kritisierte in diesem Zusammenhang etwa die Wiener Polizei, die laut der NGO Medienschaffende bei mehreren Protesten behinderten, das Geschehene zu beobachten oder darüber zu berichten. Als Beispiel wurde die Räumung des Lobau-Camps genannt. Außerdem seien Journalisten nicht angemessen vor Angriffen durch Demonstrierende geschützt gewesen.

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