Anwälte mit Einwänden zu neuem Korruptionsstrafrecht
So wird etwa im vorgeschlagenen Gesetzestext, dessen Begutachtungsfrist am heutigen Donnerstag ausläuft, als "Kandidat für ein Amt" definiert: "jeder, der sich in einem Wahlkampf, einem Bewerbungs- oder Auswahlverfahren zu einer nicht bloß hypothetisch möglichen Funktion als Amtsträger (...) oder in einer vergleichbaren Position zur Erlangung einer von ihm angestrebten Funktion als oberstes Vollzugsorgan des Bundes oder eines Bundeslandes oder als Organ zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung befindet."
Schon der Begriff "Wahlkampf" scheine für eine exakte zeitliche und personelle Abgrenzung ungeeignet, befindet der OGH. Auch die Wendung "nicht bloß hypothetisch mögliche Funktion" entspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot in der Verfassung und sei daher problematisch. "Denn es wird nicht klar, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad und auf welchen Zeitpunkt bezogen notwendig ist, damit eine Person die Subjektqualität 'Kandidat für ein Amt' erfüllt." Außerdem sei die Einschränkung ohnehin nicht praxisrelevant: Habe die Person keine realistische Chance auf ein Amt, werde man sie wohl ohnehin nicht bestechen.
Darauf macht auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag aufmerksam. "Auch ist der Wunsch des Entwurfs nicht nachvollziehbar, nur aussichtsreiche Bewerber für politische Ämter zu kriminalisieren, wenn es doch generell verboten sein sollte, für zukünftige pflichtwidrige Handlungen und Unterlassungen Geld zu fordern."
Ebenfalls nicht einverstanden sind die Rechtsanwälte mit der Einschränkung, dass Kandidaten für ein Amt nur dann bestraft werden sollen, wenn sie die Stellung als Amtsträger dann auch tatsächlich erlangt haben. Straffrei bleiben würden demnach Personen, die einen Vorteil für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts fordern oder sich versprechen lassen, dann aber bei der Wahl erfolglos bleiben. Werde ein Kandidat etwa von den Medien entlarvt und beende sofort seine Kandidatur, bleibe er straffrei. "Eine Schärfe bekommt das Anliegen der Verhinderung der politischen Korruption dadurch aber gerade nicht."
Anders sehen das die Wissenschafter am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Uni Innsbruck. Zwar sei der Handlungsunwert tatsächlich derselbe, gleichgültig ob das Amt erlangt wird oder nicht. "Aber die (abstrakte) Gefahr, dass es zu einem pflichtwidrigen Amtsgeschäft kommt, kann sich nicht realisieren." Dass sich ein Kandidat der Strafbarkeit durch die Nichtannahme des Amts dadurch entziehen könne, dass er das Amt nicht annimmt, sei auch nicht weiter problematisch: Der Betroffene verdiene Straflosigkeit, weil er eine Art ,,Tätige Reue" übe. Wenn tatsächlich ein Vorteil gegeben oder genommen wird (also nicht nur gefordert bzw. versprochen wird), bestehe ohnehin Strafbarkeit, auch wenn das Amt nicht erlangt wird.
Die Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte stößt sich wie der OGH am Begriff der "nicht bloß hypothetisch möglichen" Funktion - in den Erläuterungen werde angeführt, dass Kandidaten eine "realistische Chance" haben müssten, die angestrebte Amtsträgerfunktion tatsächlich zu erlangen. In der Realität würden aber auch je nach Wahlergebnis aussichtslose Listenplätze zum Zug kommen können ("soll anhand von Umfragen beurteilt werden, ob ein Listenplatz aussichtslos ist?") bzw. in einem Bewerbungsverfahren Personen zum Zug kommen, die im Vorhinein keine realistische Chance gehabt hätten, etwa durch Verzicht oder Tod anderer Bewerber.
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