Ars Electronica: Waffenklänge und Klimalügen im Fokus
Einreichungen zum Prix - insgesamt gab es heuer 2.950 - dürfen nicht älter als zwei Jahre sein, "daher befassen sie sich mit Problemen der aktuellen Zeit", schilderte Festivalleiterin Christl Baur bei der Presseführung am Montag, viele Arbeiten widmeten sich heuer dem Ukrainekrieg. Eine davon erhielt eine Honorary Mention in der Kategorie "Interaktive Art+": Das ukrainische Kollektiv Open Group hat ein karaokeartiges Setting aufgebaut. Auf einer Videowand machen Ukrainerinnen und Ukrainer in Lautsprache vor, welche Geräusche verschiedene Waffen erzeugen - für das Überleben im Krieg kann es unverzichtbar sein, zu wissen, ob es Raketen oder Granaten sind, die gerade in der Umgebung explodieren. Die Besucher sollen dann in ein Mikrofon hineinsprechen und diese Laute des Krieges wiederholen.
Beatie Wolfe aus Großbritannien zeigt in "Smoke and Mirrors", der Siegerarbeit in der Kategorie New Animation Art, eine andere Bedrohung und macht darin sichtbar, wie zerbrechlich unsere Erde ist. Der blaue Planet aus dem All betrachtet, umwabert von gelblichen Methanwolken und durch das Bild, das auf dem "Blue Marble"-Foto der NASA und Daten der Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA sowie der europäischen Umweltagentur basiert, ziehen Schriftzüge mit beschwichtigenden Umweltlügen der Ölindustrie wie "Oil pumps life". Eine Messzeile macht die steigende Methan-Konzentration erfassbar.
Neu ist die Kategorie AI in Art, deren Goldene Nica an den US-Amerikaner Paul Trillo ging. Er hat für das Lied "The Hardest Part" von Washed Out Bilder mittels künstlicher Intelligenz erzeugt. Der Kurzfilm ist das erste offizielle Musikvideo, das mit dem Text-zu-Video-Modell Sora von OpenAI umgesetzt wurde, und zieht den Besucher mit seiner extrem gezoomten subjektiven "Kamera"-Führung buchstäblich hinein, ein Sitzplatz schadet nicht, um sich auf den Füßen zu halten. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die ihren Partner in der Schule kennenlernt, ihn heiratet, mit ihm altert und ihn schließlich verliert.
Recht analog wirkt auf den ersten Blick die Gewinnerarbeit in der Kategorie "Interactive Art+", "Nosukaay" von Diane Cescutti aus Frankreich. Sie hat einen traditionellen afrikanischen Manjago-Webstuhl aufgebaut. Das produzierte Gewebe, ein Lendenschurz, ist allerdings eine textile Computertastatur. Nosukaay - das Wort bedeutet in der im Senegal verbreiteten Sprache Wolof "Computer" - spürt damit antiken Technologiekonzepten nach, etwa indem Diane Cescutti darauf eingeht, dass traditionelle Muster auch meist eine Botschaft transportieren.
Die japanische Künstlerin Rib hat durch häusliche Gewalt bereits als Kind ein Auge verloren. Dieses Trauma und das Stigma, wie man mit einem Glasauge wahrgenommen wird, verarbeitet sie in "If you have starry skies in your eyes": Sie hat diverse Glasaugen entworfen und so aus ihrem Makel einen USP für ihre Person gemacht - etwa mit einer Iris, die magnetisch leuchtet, oder einem eigenen Ars-Electronica-Auge.
Ästhetische, aber teils dystopische Bilder aus einer fiktiven Welt namens Mojo dominieren die Installation "Stained" von Jeremy Kamal aus den USA. Er erhielt dafür den Award of Distinction. Protagonist seiner Animation ist Demetrius, ein Mitglied einer Gang, die ihr Revier mit roten Blüten markiert. Als er sich einer blauen Pflanze zuwendet, führt das zu seiner Ächtung.
Die Goldenen Nicas sowie der Digital-Humanity-Award, der STARTSPrize der EU-Kommission, der STARTSPrize Africa und der Citizen-Science-Preis werden am 5. September in einer feierlichen Zeremonie im Design Center verliehen.
(S E R V I C E - Weitere Infos unter http://www.ars.electronica.art)
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