"Auftreten im Bild": Biografien im kolonialen Kräftefeld
Im Kolonialismus bildeten Anthropologie und Fotografie eine Allianz, die das Machtgefälle zwischen Forschenden und Beforschten in kollektivierenden wie abwertenden Bildern fortschrieb. Das belegt auch die lange als verschollen gegoltene Sammlung des Anthropologenpaares Emma und Felix von Luschan. "Es sind ungefähr 70 Schachteln mit mehr als 6.000 anthropologischen Fotografien erhalten, wir arbeiten sie auf", betonte Matiasek am Donnerstag bei einem Pressetermin.
Die Kamera war im 19. Jahrhundert ein Instrument des Imperialismus. "Trotzdem haben wir Beispiele gefunden für einen sehr aktiven Umgang in den kolonialisierten Gesellschaften selbst - nicht nur mit der Kamera, sondern auch mit anderen, damals neuen Medien des 19. Jahrhunderts", erläuterte die Kuratorin. Die Schau dokumentiert daher u.a. Biografien von Personen in den kolonialisierten Ländern, "die selbst verfügt haben, wie sie sich repräsentieren". Oder eben drucken lernten wie Wiremu Toetoe Tumohe und Hemara Rerehau Te Whanonga, die im Zuge einer viel beachteten wissenschaftlichen Weltumsegelung in Wien landeten, eine Zeit lang hier lebten und in Tagebüchern ihre Erlebnisse festhielten.
Das Photoinstitut Bonartes stellte die sieben ausgewählten Persönlichkeiten in Fotografien und in Zitaten aus eigenen Schriften vor. In Videogesprächen mit Nachfahren sowie Expertinnen und Experten aus den Herkunftsgesellschaften wird ihrer Geschichte und der heutigen Bedeutung ihrer Fotografien nachgespürt. So auch dem Leben von Ranavalona III. (1861-1917), der letzten souveränen Königin Madagaskars: "Sie stand ikonisch für das freie Madagaskar und wurde in einem symbolischen Akt abgesetzt und mit viel Inszenierung ins Exil geschickt", erzählte Matiasek. Ranavalona III. lebte schließlich in Algerien, bei gelegentlichen Reisen nach Paris machte sie die westliche Presse zur Sensation - und die Königin selbst beauftragte berühmte Fotografen mit Porträtaufnahmen.
"Auftreten im Bild" deckt ein durchaus vielfältiges Panorama ab. So wird ein Teil dem Jazzmusiker Kwassi Bruce (1893-1964) gewidmet, der im Alter von drei Jahren im Rahmen der Ersten Deutschen Kolonialausstellung aus Togo nach Berlin kam, zur Ausbildung blieb und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in einer Denkschrift Unterstützung für die zunehmend in Not geratenden Menschen aus ehemaligen deutschen Kolonien forderte. Eine ganz andere Geschichte ist die von Captain Costentenus (1836-um 1890), der seine Karriere als Ganzkörpertätowierter machte.
(S E R V I C E - "Auftreten im Bild - Positionen im kolonialen Kräftefeld" im Photoinstitut Bonartes, Seilerstätte 22, 1010 Wien, 26.7. - 8.11., Besichtigung der Ausstellung jederzeit unter Voranmeldung Telefon 0043/1/2360293-40 oder info@bonartes.org möglich; www.bonartes.org)
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