APA - Austria Presse Agentur

Auslöffeln der Ursuppe: Lukas Resetarits "Über Leben"

Klassisches politisches Kabarett? "Des mach i nimma", erklärt Lukas Resetarits unmittelbar nach seinem "Operettenauftritt", mit dem er tänzelnd und singend sein 29. Soloprogramm "Über Leben" begonnen hat. Denn mit den sich rasch verändernden Zeiten könne man nicht mehr Schritt halten. "Kaum habe ich was über einen Kanzler gesagt, war schon der nächste da." So plaudert er lieber über Leben und Überleben. Die gestrige Premiere im Stadtsaal in Wien hatte etwas Nostalgisches.

"Ich red jetzt nur noch über mich und die Vergangenheit. Da kenn ich mich aus", sagt der Altmeister der intelligenten Unterhaltung, der am Freitag (14. Oktober) seinen 75. Geburtstag feiert. "Ich hab die Vergangenheit überlebt. Das ist eine Tatsache." Eine Tatsache ist auch, dass seine Kabarettprogramme seit vielen Jahren Treffen mit Familie, Freunden und Gleichgesinnten ähneln, die dem Onkel Erich (wie ihn Kollege Thomas Stipsits angeblich liebevoll nennt) gerne zuhören, wenn er pointiert seine Gedanken über die Zeitläufte zum Besten gibt. Szenisch hat sich da seit Jahren nichts geändert. Auch diesmal sind seine roten Schuhe die einzigen Farbtupfen im klassischen schwarzen Bühnenoutfit, wird das Programm in der ersten Halbzeit am Stehtisch, in der zweiten am Lesetischerl sitzend absolviert, der Schummelzettel immer in Sichtweite.

Lukas Resetarits nimmt sein Publikum mit auf eine Zeitreise in die 1950er- und 60er-Jahre, ins Südburgenland, wo die Nachrichten noch ausgetrommelt wurden, der Pfarrer einen der wenigen Telefonanschlüsse hatte, um für seine Einsätze zum Spenden der Letzten Ölung jederzeit erreichbar zu sein, und erfolgreiche Amerikaauswanderer daheim mit Dollars um sich warfen. Doch er arbeitet sich nicht als Chronist seiner selbst Richtung Gegenwart, sondern lässt - mit Ausnahme einer Episode über seine Arbeit in der "Zitzengummi-Nachkalkulation" - die nächsten Lebenskapitel aus, über die er in seinen jüngst erschienenen Erinnerungen "Krowod" sehr anschaulich erzählt (vielleicht stehen ja seine Erfahrungen als langhaariger "Gammler" und als Flugzeugabfertiger in den Programmen 30 und 31 im Zentrum?). Mit einem Mal ist man in der Gegenwart.

In dieser Gegenwart nimmt das "Relikt", das den Teletext als Nachrichtenquelle schätzt, Lavendelprodukte gegen seine Ängste. Dazu zählen etwa Terminangst, Blackoutangst und die Angst, dass seine Hinterbliebenen sich seine Feuerbestattung wegen der gestiegenen Gaspreise nicht mehr leisten werden können. Ja, die Zeiten werden deutlich schwieriger, den Wald ruiniert nun nicht der Saure Regen, sondern der Borkenkäfer, die Auwälder sind von den SUVs der Holzsammler vollgeparkt und in den Innenstädten raten die Statiker angesichts der vielen neuen Hochbeete auf den Balkonen zur Einführung der Helmpflicht.

Er dagegen rät zum Halten von Osterhasen in den Überlebensbunkern ("die ham immer auch a Tschoklad dabei") und warnt vor dem Auftauen der Permafrostböden, denn da werden viele alte Krankheiten wieder zu neuem Leben erweckt - "vom Saurierschnupfen bis zur Mammutrüsselentzündung". Am Ende werden wir die Suppe nicht mehr in den schier unverwüstlichen Plastiktellern von einst auslöffeln können, sondern selbst zum Bestandteil der Ursuppe werden. "Und in ein paar Milliarden Jahren - wer weiß, gräut wieder was ausse..."

Vorher freilich wird Lukas Resetarits noch gebührend in Funk und Fernsehen gewürdigt. Am Donnerstag ist er gemeinsam mit Thomas Stipsits zu Gast in "Stöckl" in ORF 2. Am Freitag steht der TV-Abend von ORF 1 im Zeichen des Jubilars: Um 21.15 Uhr wirft er einen Blick in den "Rückspiegel", um 22.30 Uhr rätselt er in "Was gibt es Neues?", und ab 0.10 Uhr ist er in der Krimikomödie "Schwarzfahrer" von Nikolaus Leytner zu sehen. ORF III sendet am 20. Oktober eine "Lange Nacht des Lukas Resetarits" - mit der Neuproduktion "Die besten Momente zum 75. Geburtstag" (21.55 Uhr), dem Kabarettabend "Lukas Resetarits & Friends" (23.15 Uhr) und ab 0.40 Uhr mit seinen Programmen "Zeit", "Schmäh" und "Unruhestand".

Im Radiosender Ö1 ist am kommenden Sonntag (16. Oktober) zunächst das "Menschenbilder"-Porträt "Krowod - der Kabarettist Lukas Resetarits" (14.05 Uhr) zu hören. Um 19.05 Uhr sendet dann "Contra" Auszüge aus dem neuen Programm.

(S E R V I C E - "Über Leben", Satire von Lukas und Kathrin Resetarits, Mitarbeit: Fritz Schindlecker, Albert Meisl und Katrin Werzinger, Stadtsaal, Wien 6, Mariahilfer Straße 81, Nächste Termine: 19., 20., 21., 24., 25. Oktober, Karten: 01/909 22 44. www.stadtsaal.com/, am 28.10. im Orpheum Wien. Alle Termine: www.knowme.at/termine.html)