APA - Austria Presse Agentur

Außenminister Schallenberg in Armenien

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) besucht am Mittwoch und Donnerstag die Ex-Sowjetrepublik Armenien. Er trifft in der Hauptstadt Jerewan seinen Amtskollegen Ararat Mirsojan und wird auch von Regierungschef Nikol Paschinjan empfangen. Weiters eröffnet Schallenberg ein Wirtschaftsforum sowie ein schon seit dem Vorjahr aktives Kooperationsbüro der Austrian Development Agency (ADA), die die österreichische Entwicklungszusammenarbeit abwickelt.

Armenien steht nach wie vor unter dem Eindruck des verlorenen Krieges gegen Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach im Herbst 2020. Wochenlang kam es damals zu Kämpfen. Mehr als 6.500 Menschen wurden getötet, rund 90.000 flohen. Laut der geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarung musste Armenien große Gebiete in und um Berg-Karabach, die es seit Anfang der 1990er Jahre kontrolliert hatte, an Aserbaidschan abtreten. An der Grenzlinie kommt es trotz des Waffenstillstands immer wieder zu Gefechten mit toten Soldaten auf beiden Seiten.

Die mehrheitlich von christlichen Armeniern bevölkerte Region hatte sich Anfang der 1990er Jahre von Aserbaidschan, zu dem es bis heute völkerrechtlich gehört, losgesagt und existierte seitdem als international nicht anerkannter Quasi-Staat unter dem Schutz Armeniens. Auch damals kam es zum Krieg, den aber die armenischen Kräfte gewannen.

Der jüngste Krieg brachte Ministerpräsident Paschinjan im eigenen Land stark unter Druck. Paschinjan, der 2018 nach Massenprotesten gegen die damalige Regierung und das Polit-Establishment als Hoffnungsträger an die Macht gekommen war, führte vor diesem Hintergrund eine vorgezogene Parlamentswahl herbei: Vor allem weil die Opposition nicht geeint war, wurde er im Juni 2021 mit seiner Partei "Bürgervertrag" mit 54 Prozent wieder Erster und blieb Regierungschef. Der aus einem gegnerischen Polit-Lager stammende Staatspräsident Armen Sarkissjan, der zu den Kritikern des Premiers zählte, wiederum erklärte diesen Jänner seinen Rücktritt. Er begründete den Schritt damit, dass er sich schon im Krieg und den Verhandlungen danach sowie bei Paschinjans Neubesetzung der Armeeführung an den Rand gedrängt fühlte.

Die Regierung unter Paschinjan gilt als reformorientiert und pro-westlich, die Anlehnung Armeniens an Russland ist aber aufgrund von Sachzwängen auch in den vergangenen Jahren geblieben: Armenien ist sowohl militärisch als auch, was die Energieversorgung betrifft, von Russland abhängig. Russland schützt etwa den armenischen Luftraum, hat in Armenien Truppen stationiert und nach dem jüngsten Karabach-Krieg Schutztruppen in die Konfliktregion entsandt. Moskau fungiert hier auch als Vermittler in außenpolitischen Belangen. Seit 2015 ist Armenien Mitglied der von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsunion. Obwohl Armenien nicht direkt an Russland grenzt, ist Russland auch etwa im armenischen Bahntransport oder im Mobilfunk führend. Mit der EU ist Armenien im Rahmen der Östlichen Partnerschaft verbunden, seit Anfang 2021 ist ein erweitertes Partnerschaftsabkommen in Kraft.

Armenien mit seinen knapp drei Millionen Einwohnern ist nicht nur mit dem östlichen Nachbarn Aserbaidschan, sondern auch mit der westlich gelegenen, mit Aserbaidschan befreundeten Türkei im Konflikt. So hatte die Türkei auch das muslimisch geprägte Aserbaidschan 2020 im Krieg unterstützt. Die Türkei und Armenien streiten vor allem über die Geschichte: Wie die meisten Experten international stuft Armenien die Massaker im Osmanischen Reich an bis zu 1,5 Millionen Armeniern 1915 als Völkermord ein. Die Türkei lehnt das vehement ab. Österreich hatte den Genozid 2015 per Erklärung aller Nationalrats-Klubs offiziell anerkannt. Wegen des Geschichtsstreits sind die Grenzen zwischen Armenien und der Türkei seit Jahrzehnten geschlossen. Erst im Jänner nahmen die beiden Staaten unter Vermittlung Russlands einen Dialog auf, der nach dem Willen Jerewans zu normalen diplomatischen Beziehungen führen soll.

Armenien ist seit 2011 ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Im Vorjahr flossen drei Millionen Euro in Projekte zur Förderung der Landwirtschaft und der guten Regierungsführung und Verwaltung, aber auch zur Unterstützung der Zivilgesellschaft. 2021 gab es zusätzliche Hilfen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und zur Bewältigung der Kriegsfolgen aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF) in Millionenhöhe.