Austro-Kritik an EU-Green-Deal wächst

Wiener Schnitzerl: Im Idealfall vom Austro-Kalb oder -Schwein
Spitzenvertreter der Agrarpolitik haben vor dem Start der Wintertagung des Ökosozialen Forums vor Teilen des von der EU geplanten Green Deals gewarnt. Sowohl Agrarministerin Elisabeth Köstinger als auch Niederösterreichs Agrarlandesrat Stephan Pernkopf (beide ÖVP) nannten am Donnerstag vor Journalisten in Wien mehrere aus ihrer Sicht gegebene Ungereimtheiten beim grünen Pakt - vor allem im Zusammenhang mit dem möglichen EU-Mercosur-Freihandelsabkommen, das Österreich ablehnt.

Beide Politiker argumentierten unter anderem mit Erfahrungen aus der Coronakrise. Diese habe eindrücklich vor Augen geführt, wie wichtig es sei, die Selbstversorgung Österreichs und der EU mit Lebensmitteln sicherzustellen. "Der Green Deal darf die Versorgungssicherheit nicht gefährden", so die Warnung bzw. Forderung. "Blinde Flecken" beim Pakt müssten entfernt werden, um die Selbstversorgung sowie die Bauern-Einkommen zu sichern, so Pernkopf und Köstinger unisono.

"Für die Versorgungssicherheit braucht es unsere kleinen Strukturen", verwies Köstinger auf die heimische Landwirtschaft als Garant für die Versorgungssicherheit. Für diese habe Österreich vor allem bei den Grundnahrungsmitteln eine "gute Ausgangsposition". Es gehe aber auch um die Frage, wie man die Versorgungssicherheit weiter gewährleisten könne und dazu brauche es auch gewisse Unterstützungen für die Bauern.

Schließlich habe die Coronakrise die Agrarmärkte voll erfasst. Die Schweinebauern kämpfen besonders mit einem Preiseinbruch. "Speziell dieser Branche werden wir eine zusätzliche Unterstützung bieten", kündigte Köstinger an. Hier müsse eine "gänzliche Selbstversorgung oberstes Ziel" bleiben. Etwa auch Kalbfleisch ist bei der Eigenversorgung Thema.

"Die Corona-Pandemie ist dabei ein Game Changer (Paradigmenwechsel, Anm.) für die heimische Landwirtschaft", sagte Pernkopf, der auch Präsident des Ökosozialen Forums ist. Im Zusammenhang mit dem Ziel der Selbstversorgung berge der geplante Green Deal der EU aber Gefahren, auch wenn dieser "prinzipiell zu begrüßen, da bei der Lösungssuche die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet wird". Aber: "Der Green Deal, der nun am Tisch liegt, verkennt die Zeichen der Zeit. Er ist ein Deal aus der alten Welt vor Corona, macht unsere Volkswirtschaft verwundbar und schwächt unsere Selbstversorgung", warnt Pernkopf. "Denn unter diesem grünen Deckmantel versucht besonders der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, die Stilllegung von landwirtschaftlichen Flächen zu erreichen."

Es habe keinen Sinn, wenn ein grüner Gürtel stillgelegter Agrarflächen von Portugal bis Lettland implementiert, gleichzeitig aber Lebensmittel von anderen Kontinenten eingeflogen werden, so der Standpunkt des Niederösterreichers. "Flächen stillzulegen gefährdet die bäuerlichen Betriebe und die Selbstversorgung mit Lebensmitteln, erhöht die Abhängigkeit von anderen Ländern und erhöht den Hunger auf der Welt."

"Wenn einerseits die agrarische Produktion mit immer höheren Auflagen konfrontiert wird und diese damit verringert wird, gleichzeitig aber Mercosur umgesetzt werden soll, wo sich solche Fragen nicht stellen, dann geht sich das nicht aus", sagte Köstinger zum Mercosur-Abkommen im Zusammenhang mit dem grünen Pakt der EU. "Es ist sehr ärgerlich, wenn die linke Hand der EU-Kommission nicht weiß, was die rechte tut." Werde Klimaschutz ernst genommen, könne Mercosur nicht umgesetzt werden. "Wir sind für ein Abkommen auf Augenhöhe, es geht nicht, dass eines gänzlich zulasten der europäischen Landwirtschaft gemacht wird."

Beide Agrarvertreter hoben auch hervor, dass in Europa im weltweiten Vergleich mit Abstand am umweltgerechtesten produziert werde. Steigende Importe aus Ländern, wo weniger umweltgerecht hergestellt werde, würden "Green Deal samt Farm to Fork- und Biodiversitätsstrategie zur Sackgasse machen", so Pernkopf.

Auch Landwirtschaftskammerpräsident Moosbrugger sprang seinen Parteikollegen in einer Aussendung bei. "Uns Bauern schmerzt massiv, wenn wir selbst unsere Spitzenerzeugnisse zu Spottpreisen abgeben müssen oder gar auf ihnen 'sitzen bleiben', während sich in Regalen und Speisen Billigimportwaren verstecken, die in keiner Weise unseren heimischen Produktionsstandards entsprechen", teilte er in einer Aussendung mit. "Das Motto muss lauten: 'Regional versorgen, ist denken an morgen'", so der LKÖ-Chef.

Pernkopf forderte eine "nachhaltige Intensivierung" der Landwirtschaft in Österreich und Europa. Dies bringe Natur und Produktion in Einklang und sichere die Einkommen der Bauern. "Das ist der ökosoziale Gedanke: Arbeit schaffen, Wirtschaft stützen und gleichzeitig die Umwelt schützen."

Bei der 68. Wintertagung diskutiert das Ökosoziale Forum von 21. bis 28. Jänner 2021 mit Experten Folgen der COVID-Pandemie sowie Chancen und Zukunftsaussichten für Bauern. Unter dem Motto "Gemeinsam is(s)t man besser. Gemeinsam aus der Krise lernen. Gemeinsam zukunftsfit werden" werden Wege und Perspektiven für eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft erörtert. An neun Fachtagen mit 100 Vorträgen können sich die insgesamt 7.000 Teilnehmer an der Diskussion von Lösungsansätzen für eine nachhaltige Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln beteiligen.

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