APA - Austria Presse Agentur

Autor Fritz Lehner ist auch mit 75 ruhelos

Mit Filmen wie dem Schubert-Dreiteiler "Mit meinen heißen Tränen" hat Fritz Lehner heimische Fernsehgeschichte geschrieben, seit zwei Jahrzehnten konzentriert sich der im oberösterreichischen Freistadt Geborene auf das Schreiben von Romanen und hat auch als Krimiautor Preise einheimst. "Ronny Rock" war im November sein bisher letztes Buch. Am heutigen Montag feiert Fritz Lehner seinen 75. Geburtstag.

Ganz so stimmt das allerdings nicht: Es gebe weder Feiern noch Feste, meint der Mann, dessen bisher letzter Film "Jedermanns Fest" hieß und in vieler Hinsicht für Aufregung sorgte. Aufregungen mag er, dessen Beharrlichkeit auf seinem künstlerischen Weg ihm manche Feinde eintrug, heute nicht mehr. Die Ruhelosigkeit beim Schreiben ist ihm genug. "Noch schneller als in den letzten fünf Jahren war meine Zeit noch nie vergangen. Ich durfte arbeiten, Romane schreiben, ich lebe gesünder, weil ich dank Corona nicht mehr mit den Straßenbahnen fahre, sondern alle Wege zu Fuß zurücklege. Für mich wünsche ich, dass es noch möglichst lange so ruhelos weitergehe wie jetzt."

Ruhelos war er schon immer, und Ruhe gegeben hat er lange nicht. "Ich habe meine allerbeste Zeit in der goldenen Ära des Fernsehfilms im ORF erlebt", erinnerte sich Lehner vor fünf Jahren im Gespräch mit der APA. "Das hat mich ausgemacht. Das war ich." Unter Abteilungsleiter Gerald Syszkowitz wurden 20 bis 25 Literaturverfilmungen pro Jahr in Auftrag gegeben, einen davon erhielt Lehner schon unmittelbar nach seinem Diplom an der Wiener Filmakademie: "Der große Horizont" (1976), die Adaption eines Romans von Gerhard Roth. In den folgenden Jahren realisierte Lehner Literaturverfilmungen wie Innerhofers "Schöne Tage" (1981), eigene Drehbücher wie "Edwards Film" (1977) und fremde wie "Der Jagdgast" (1978) von Gernot Wolfgruber.

Für Kontroversen sorgte Lehners Porträt seines Heimatorts "Freistadt" (1976), das manchen als "Nestbeschmutzung" galt. 40 Jahre später erhielt er beim Festival "Der neue Heimatfilm" den Würdigungspreis der Stadt Freistadt. "Das Dorf an der Grenze" (1979-83), ein von Thomas Pluch geschriebener Dreiteiler über die Geschichte Südkärntens und ein Plädoyer für das friedliche Zusammenleben von Österreichern und Slowenen, wurde von Jörg Haider als "Machwerk übelster Sorte" diffamiert. Höhepunkt seiner Arbeit wurde 1986 der Dreiteiler "Mit meinen heißen Tränen", der 1988 als "Notturno" auch fürs Kino adaptiert wurde.

Der Film mit dem jungen Udo Samel als Franz Schubert machte Aufsehen - u.a. weil er außergewöhnlich fotografiert war und weil er sich nicht auf den Musiker, sondern auf den unglücklichen und an Syphilis erkrankten Menschen konzentrierte. Ein Künstlerfilm als Triumph eines eigenwilligen Filmkünstlers. Danach begannen die Schwierigkeiten. Und im ORF war plötzlich vieles nicht mehr möglich.

"15 Jahre danach war ein Bruckner-Film nicht mehr möglich. Es war auch der Film 'Hotel Metropol' über die ehemalige Wiener Gestapo-Zentrale, den ich jahrelang betrieben habe, nicht möglich. Mit dem Ergebnis, dass ich dann einen Roman mit drei Teilen und 1.600 Seiten daraus gemacht habe. Es ist ganz bedauerlich, dass mein Kafka-Film nicht möglich war, den ich nach Schubert machen wollte. Die Verfilmung des Romans 'Fasching' von Gerhard Fritsch habe ich 1980 zum ersten Mal angeboten. Und ich bedauere zutiefst, das der großartige Roman 'Die größere Hoffnung' von Ilse Aichinger, die eine Kinogeherin war, nicht verfilmt wurde." Fritz Lehner spricht gerne über nicht verwirklichte Projekte, "denn so bleiben sie in Erinnerung".

"Jedermanns Fest", Lehners 13. Film, wurde ihm zum Verhängnis und machte den Regisseur zum Outcast der Branche. Das Projekt einer Transponierung des Jedermann-Stoffes in die Modebranche der Gegenwart uferte aus und wurde zum damals teuersten österreichischen Film der Nachkriegszeit. Der Film, den die Stars Klaus Maria Brandauer und Juliette Greco zum Publikumserfolg machen sollten, lag jahrelang halb fertig auf Eis und wurde zum erbittert geführten Rechtsstreit. "Es kam auf die Ebene der Anwälte und zum Versuch, den Film ohne mich fertigzumachen. Es war der Kampf eines Regisseurs gegen eine Produktion."

Lehner konnte sein Recht durchsetzen, den Film selbst fertigzustellen. Für das Resultat gab es viele kühle Kritiken und den Großen Diagonale-Preis 2002, eine der vielen Auszeichnungen seiner Karriere, die er so zusammenfasst: "Ich wollte nichts Besonderes sein, ich wollte etwas Besonderes tun. Dabei habe ich mich aber nie mit den Mächtigen verbrüdert. Ich muss niemandem dankbar sein. Mir wurde nichts geschenkt."

Fritz Lehner sattelte um und wurde Autor. Er habe schon immer sehr gerne geschrieben, sagt er. "Für mich war es als Regisseur nie ein Problem, ein Drehbuch schreiben zu müssen und noch nicht drehen zu können. Es war mir immer ein großer Genuss, ein, zwei Jahre am Drehbuch zu arbeiten. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass alles vom Drehbuch abhängt." Und von akribischer Vorbereitung. Seine auf 2.000 Karteikarten festgehaltene Recherchen über die k.u.k. Nordpolexpedition von Julius Payer und Carl Weyprecht wurden nach dem Scheitern des Filmprojekts zum Buch: "R" (spiegelverkehrt geschrieben) war 2003 sein erster Roman. "Das war der Beginn meines zweiten Lebens. Das Schreiben ist für mich eine große Erfüllung. Ich leide nicht darunter. Nur, dass ich nicht mit einem Team arbeiten kann, fehlt mir."

Es folgten die Metropol-Trilogie (2004-2006) sowie der Roman "Der Schneeflockenforscher" (2008). Der multimediale Fortsetzungskrimi "Margolin" war 2012 ein Versuch, beide Genres zu verbinden: Jede Woche erschien ein neues Kapitel und ein dazugehöriger neuer Filmclip. Nach "Vor dem Angriff" (2014), "Seestadt" (2016), "Nitro" (2017, mit dem Leo-Perutz-Preis der Stadt Wien ausgezeichnet), "13A" (2018) und "Dr. Angst" (2020) war "Ronny Rock" das zwölfte Buch seines zweiten Lebens.

"Ronny Rock" handelt von "einem erfolglosen Schauspieler, der wenigstens als Serienkiller Karriere machen möchte und den Krieg in der Ukraine dazu nützt, um Menschen in Wien umzubringen. Russen, weil sie Schuldige sind. Dann auch Ukrainer, weil er den Applaus von beiden Seiten will", schildert der Autor, der für seine Arbeit daran "monatelang auch täglich hunderte Postings der Zeitungen gelesen" hat: "Sie haben den Roman an Brutalität bei weitem überboten. An Mordlust. Mit Kriegslust. Mit Ratschlägen, wie man am besten bestimmte Waffen einsetzt, um möglichst viele auszulöschen. Russen. Ukrainer. Aber auch alle, die anderer Meinung sind als man selbst. Natürlich sind das nur Wünsche, aber sie kommen aus der Realität."

Auf einen Namen sei er erst vor einigen Tagen in den Postings gestoßen: Autorin und Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner. "Für den Beitrag über sie gab es Zustimmung, aber auch heftige Attacken, den Vorwurf der Naivität, die Warnung vor einem Shitstorm." Gestorben sei sie "kurz vor dem Ersten Weltkrieg, vor dem sie immer wieder vergeblich gewarnt hatte", erinnert Lehner. "In vier Wochen wird ihr 180. Geburtstag gefeiert."