APA - Austria Presse Agentur

Baerbock fordert in der Türkei Freilassung von Osman Kavala

Zum Beginn ihres Besuchs in der Türkei hat Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Freilassung des inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala gefordert. Sie sehe es als ihre Pflicht an, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte "zu achten und zu verteidigen, und zwar ausnahmslos und zu jeder Zeit", sagte Baerbock am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu in Istanbul.

"Dazu gehört für mich auch die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeordnete Freilassung von Osman Kavala", sagte die Außenministerin. Es sei ihr bewusst, "dass es in diesen Zeiten schwierig ist, über Themen zu reden, wo wir auf einer Pressekonferenz beide vielleicht zucken". Aber es seien jetzt genau die Zeiten, in denen doch die Bereitschaft bestehe, "sich gegenseitig zuzuhören, auch wenn dann vielleicht die Ohren schmerzen".

Kavala war im April wegen des Vorwurfs des versuchten Umsturzes der türkischen Regierung von einem Gericht in Istanbul zu lebenslanger Haft verurteilt worden. International wurde das Urteil scharf kritisiert, die türkische Regierung hatte die Kritik als Einmischung in die inneren Angelegenheit der Türkei zurückgewiesen.

Kavala ist seit mehr als vier Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul inhaftiert. Der Geschäftsmann war 2017 ursprünglich wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan gerichteten Gezi-Proteste in Istanbul im Jahr 2013 finanziert und organisiert zu haben.

Im Februar 2020 sprach ein Gericht ihn von diesem Vorwurf frei. Kavala wurde damals aus der Haft entlassen, jedoch wenige Stunden später erneut festgenommen - dann im Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen Erdogan im Jahr 2016 und wegen Spionagevorwürfen. Kavala weist alle Anschuldigungen zurück.

Am Samstag trifft Baerbock nach ihren Gesprächen mit den Regierungen der NATO-Partner Griechenland und Türkei in Ankara Vertreter der Opposition. Am Freitag war die Grünen-Politikerin zunächst in Athen und hatte sich mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis und Außenminister Nikos Dendias getroffen. Anschließend flog sie nach Istanbul zu einem Gespräch mit Cavusoglu.

Baerbock hatte sich bewusst dafür entschieden, ihre Antrittsbesuche bei den beiden zerstrittenen NATO-Partnern miteinander zu verbinden. In Athen hatte sich Baerbock im griechisch-türkischen Konflikt um griechische Inseln in der Ostägäis klar auf die Seite Griechenlands gestellt.

Die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei haben sich zuletzt wieder massiv verschlechtert. Ankara stellt die Souveränität griechischer Inseln in der östlichen Ägäis wie Rhodos, Samos und Kos infrage und fordert den Abzug des griechischen Militärs. Den Forderungen verleiht die Türkei mit Überflügen türkischer Kampfjets über bewohnte griechische Inseln Nachdruck. Griechenland rechtfertigt die Truppenstationierung mit der Präsenz zahlreicher Landungsboote an der türkischen Westküste.

Die Opposition in der Türkei steht seit Jahren massiv unter Druck. Der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP etwa droht ein Verbot. Zuletzt hatten sich sechs türkische Oppositionsparteien ein gemeinsames Grundsatzprogramm veröffentlicht. Beobachter gehen davon aus, dass die Parteien sich zu einem Bündnis zusammenschließen und einen gemeinsamen Kandidaten für die 2023 geplanten Wahlen aufstellen. Das Bündnis setzt sich unter anderem zusammen aus der größten Oppositionspartei CHP, der nationalkonservativen Iyi-Partei und der Deva-Partei.