APA - Austria Presse Agentur

Bei Unfällen starben 2022 in Österreich 22 Kinder

Im Vorjahr sind in Österreich wieder deutlich mehr Kinder verunfallt als im Corona-Jahr 2021. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) starben 22 Kinder bei Unfällen. Insgesamt 109.700 Null- bis 14-Jährige wurden so schwer verletzt, dass sie im Spital behandelt werden mussten. Somit verunfallte alle fünf Minuten ein Kind. 75 Prozent der Unfälle passieren im Haushalt und in der Freizeit, sagte KFV-Geschäftsführer Christian Schimanofsky. "Die Zahlen sind alarmierend."

Das KFV fordert auf politischer Ebene eine konkrete Zuständigkeit für Kindersicherheit, derzeit gebe es keinen Verantwortlichen, dadurch besteht die Gefahr, dass "niemand wirklich zuständig ist", sagte Schimanofsky. "Die Entscheidungsträger sind mit Erwachsenenproblemen wie Krieg oder Teuerung beschäftigt", so der KFV-Geschäftsführer. Maßnahmen für die Erhöhung von Kindersicherheit "liegen auf dem Tisch, sie müssen in der Praxis umgesetzt werden". Eignen würde sich dafür "gerne ein Kindersicherheitsministerium", so die Forderung des KFV.

Im Vorjahr mussten mehr als 300 Kinder jeden Tag nach Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden, alle zweieinhalb Wochen stirbt ein Kind an den Folgen eines Unfalls. Im Corona-Jahr 2021 gab es laut KFV noch 95.300 Verletzte unter 15 Jahren. Die Zahlen stammen aus der Injury Database Austria (IDB Austria), einer statistischen Erhebung des KFV, für die strukturierte Interviews in ausgewählten Ambulanzen österreichischer Spitäler durchgeführt werden.

Unfälle gehören zu den höchsten Gesundheitsrisiken für Kinder. "Während kleine Verletzungen bei Spiel und Sport zur Entwicklung eines Kindes dazugehören, sind jene Unfälle, bei denen Kinder aufgrund mangelnder Sicherheitsmaßnahmen sterben oder bleibende Schäden davontragen, besonders bestürzend", sagte Schimanofsky. 22 Mädchen und Buben unter 15 Jahren starben 2022 bei Unfällen. Davon kamen 13 Kinder im Straßenverkehr ums Leben, fünf ertranken, zwei starben bei einem schweren Sturm in Kärnten und je ein Kind wurde bei einem Rodel- bzw. einem Unfall in der Landwirtschaft getötet.

Beim Thema Kindersicherheit rangiert Österreich im aktuellsten EU-Vergleich mit einer Inzidenz von 18 tödlich verletzten Kindern auf eine Million Einwohner an zehnter Stelle (Eurostat 2023; Durchschnitt 2017-2019, EU-27, Aufbereitung KFV). Das ist zwar unter dem EU-Durchschnitt (Inzidenz 23), aber immer noch deutlich über Irland, dem Land, welches den niedrigsten Wert aufweist.

Drei Viertel der Unfälle passieren zu Hause und in der Freizeit. "Wir rechnen damit, dass im nächsten Monat schon Fensterstürze und Ertrinkungsfälle stattfinden", sagte Schimanofsky. "Wir sollten vom Reden weg zum Handeln kommen", so Schimanofsky. Neben dem eigenen Kinderschutzministeriums fordert das KFV einen Aktionsplan, mit dem Maßnahmen zur Prävention von Kinderunfällen in das Regierungsprogramm aufgenommen und vor allem umgesetzt werden. Als Beispiel: 2022 sind in Österreich fünf Kinder ertrunken, heuer schon zwei, zuletzt ein fünfjähriges Mädchen in einer Therme, dennoch gibt es kein flächendeckendes Angebot an Schwimmkursen. Diese sind für viele - sofern überhaupt vorhanden - nicht leistbar. In einzelnen Bundesländern gibt es bereits ein Gratis-Angebot. Das KFV fordert kostenlose Schwimmkurse in ganz Österreich. Das sei eine relativ einfache Maßnahme, die rasch umgesetzt werden kann und viel bringt. Schwimmkurse können "nicht früh genug beginnen", sagte Schimanofsky, ideal wäre es, wenn es Kinder ab vier Jahren lernen.

Besonders großen Handlungsbedarf gibt es im Straßenverkehr. Hier starben im Vorjahr sechs Kinder beim Pkw-Unfällen, vier als Fußgänger und je ein Kind am Fahrrad, E-Scooter und Moped. "In 71 Prozent der Fällen sind wir Erwachsenen schuld am Unfall", sagte Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV. Schulkinder sind täglich im Straßenverkehr unterwegs, zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder mit dem Scooter. Vor allem die neuen Verkehrsmittel wurden in der Planung nicht berücksichtigt, sagte Robasch. Er fordert, dass die Sichtbedingungen auf die Größe und Bedürfnisse der Kinder angepasst werden. Kinder sind hinter geparkten Autos oder Hecken nicht zu sehen. "Für Kinder ist die Situation im Straßenverkehr unerträglich", bekräftigte der Experte.

Autos sind zu schnell unterwegs, die Infrastruktur nur auf Erwachsene ausgelegt, außerdem gibt es beispielsweise kein Raumangebot, um überhaupt beispielsweise Radfahren lernen zu können. "Gerade beim Bau und bei der Erhaltung der Straßeninfrastruktur muss in Zukunft mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kinder genommen werden", forderte Robatsch. Vor Schulen und Freizeiteinrichtungen wie Parks dürfe maximal Tempo 30 gelten, sagte der Experte. Damit ist es noch möglich, anzuhalten, wenn etwa ein Kind auf die Straße tritt. Bei Tempo 50 ist bei derselben Strecke "gerade die Reaktionszeit vorbei". Der Experte forderte auch, dass nicht angepasste Geschwindigkeit ein Vormerkdelikt werden soll. "Hier sind wir das einzige Land in Europa", wo das nicht so ist, sagte Robatsch.

"Erfolge durch gezielte Präventionsarbeit sind möglich. Eine dramatische Trendwende zeichnet allerdings das Jahr 2019. In diesem Jahr wurden bei Verkehrsunfällen sogar so viele Kinder getötet, wie schon sehr lange nicht mehr. Dieser Negativtrend wurde einzig durch die Corona-Pandemie gebremst, 2023 ist die Fortsetzung des Negativtrends wieder deutlich prognostizierbar und zeigt sich auch in anderen Lebensbereichen der Kinder", schließt Robatsch. 2019 kamen 16 Kinder im Straßenverkehr ums Leben.

Kommt es tatsächlich zu einem Unfall, muss Erste Hilfe geleistet werden. "Trauen Sie sich zu helfen, das einzige, was man falsch machen kann, ist nichts zu tun", appellierte Georg Schuster vom Bildungszentrum des Österreichischen Roten Kreuz. Die Maßnahmen bleiben die gleichen, sowohl beim Sturz vom Wickeltisch, als auch beim Sturz mit dem Fahrrad. "Ansprechen, kontrollieren, ob das Kind noch atmet, schauen, dass die Atemwege frei sind, auf die Seite drehen und den Notruf 144 wählen", sagte der Experte. Er empfiehlt auch spezielle Erste-Hilfe-Kurse für Kindernotfälle.

Fragt man die Kinder nach ihren Wünschen zur Verbesserung ihrer Lebensqualität und Sicherheit, sind sie sich einig: Der Wunsch nach mehr Sicherheit im Straßenverkehr und sicheren Plätzen, um freier spielen zu können, steht ganz oben auf der Wunschliste aller durch die Eltern befragten Kinder, informierte das KFV. In einer vom KFV durchgeführten Umfrage in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter 2.619 Personen im Jahr 2022 sprachen sich darüber hinaus auch 52 Prozent der befragten Eltern in Österreich für strengere gesetzliche Maßnahmen, vor allem für den Straßenverkehr, aus.