Überblick: So war das Kremser donaufestival

Joshua Serafins "VOID" wirkte teils wie ein Sci-Fi-Fiebertraum
Beim Kremser donaufestival gab es zum Auftakt des zweiten Wochenendes viel Input, um sich sein eigenes Universum zurecht zu legen und gleichzeitig zu dekonstruieren.

Die Performance "Void" gehörte wohl zu den kurzweiligsten Darbietungen des diesjährigen Jahrgangs. Serafin zelebrierte sich darin als nonbinäre Gottheit aus längst vergangenen Tagen - oder einer fernen Zukunft. So ganz genau ließ sich das nicht festmachen, war letztlich aber auch unerheblich, da diese Dimensionen überschreitende Aufführung weniger aus inhaltlicher, denn ästhetischer Perspektive überzeugte. Denn nach einem kurzen Tanz- und Videointermezzo zu Beginn, tauchte Serafin nackt in eine schwarze, beinahe geleeartige Masse, die Figuren ermöglichte, bei denen jeder Hollywood-Blockbuster seine Special Effects einpacken kann. Und nicht vergessen: "Angst ist unendlich. Aber das ist auch die Liebe."

Freitagabend im Überblick

Kurz zuvor gab es Freitagabend auch "SPAfrica" als österreichische Erstaufführung zu erleben. Beim gemeinsam von Julian Hetzel und Ntando Cele erdachten Stück ging es um den etwas anderen kolonialen Austausch: Wasser aus Südafrika wurde nach Europa gebracht, als erster "Empathy-Drink" der Welt. Der reiche Westen wiederum spendete Tränen, die als künstlicher Regen in Kapstadt niedergingen. Aufgezogen wurde all das zunächst als angeblicher Artist Talk nach dem Stück, bevor sich die im Zentrum stehende Cele eine (ziemlich überzeugende) Hetzel-Maske vom Gesicht riss und damit dem Publikum den Spiegel vorhielt.

Besonders war dabei die Balance aus leichten Momenten und nachdenklich stimmenden Abschnitten. "Warum können Güter so einfach Grenzen überschreiten, aber nicht Menschen?", fragte Cele als ihr weißes Künstler-Alter-Ego etwa. Wenig später durften sich die Besucher selbst an "SPAfrica" laben und eine kleine Kostprobe zu sich nehmen. Wasser eben. Oder doch mehr? "Spürt ihr Afrika in Euch?", wurde gefragt. Sukzessive kippte die Situation, thematisierte Cele ihre Rolle als schwarze Künstlerin in der etablierten Szene, wo sie stets als "kraftvolles, wütendes Opfer" auftreten müsse. Wobei klar sei: "Ich bin nicht die Lösung."

Eine solche hatte hingegen Ben Frost im Gepäck. Und zwar für die Frage: Was kommt nach Metal? Der australische Musiker, der sein halbes Leben lang schon in Island zuhause ist, hat mit seinem jüngsten Album "Scope Neglect" dem Genre Post-Metal eine neue Bedeutung gegeben. Gemeinsam mit Gitarrist Greg Kubacki von der Mathcore-Band Car Bomb hat er Tracks gezimmert, die sich zwar einer harten Ästhetik bedienen, aber eigentlich die Leerstellen zelebrieren. Was hören wir, wenn Gitarrenriffs nicht von klassischem Bass und Schlagzeug umgeben sind, sondern auf ein unheilvoll surrendes Nichts treffen?

Live aus dem Stadtsaal

Live wurde daraus im Stadtsaal eine zwischen Ekstase und Kontemplation pendelnde Übung, die man sich erst erarbeiten musste, aber ungemein lustvoll in die Körper fuhr. Wo der Set- wie Albumopener "Lamb Shift" noch für viele Fragezeichen sorgte, ging es in der Folge immer weiter in den Märchenwald, zu dem Tarik Barri die simpel gestalteten, aber sehr effektiven Visuals lieferte, sich dabei allen voran bei einer bunten Farbpalette bedienend. Frost wiederum servierte elektronische Strukturen, vereinzelte Melodien, dichte Atmosphären, während Kubacki seine Gitarre bearbeitete, als ginge es um sein Leben. "Ich will eine Konversation mit dem Publikum", hatte Frost kurz zuvor gegenüber der APA festgehalten. Aber die Show sei "wie ein Ritt auf der Rasierklinge".

Einen solchen hat auch Mike Kuhn unternommen - und alle dabei abgeholt. Der Schlagzeuger, der live als NAH in Erscheinung tritt, knüppelte sich durch ein zersplittertes, tanzbares, enorm energetisches Set, das von seinem Livedrumming ebenso zehrte wie den programmierten Sounds. Gerade die Kombination ließ Neues entstehen, ließ die Körper vor der Bühne in Verzückung geraten, während NAH wie ein Berserker auf sein Drumset eindrosch. Ruhiger ging es da Kenji Araki an, wenngleich nicht leiser: Der Wiener Produzent mit japanischen Wurzeln ließ bereits am Nachmittag die Wände der Minoritenkirche erzittern, wusste seine dichten elektronischen Landschaften aber mit melodiösen Zwischenspielen und eingängigem Gesang aufzulockern. Die vermeintlichen Leerstellen, sie wurden an diesem Abend alle gefüllt - auf die eine oder andere Art.

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