Erdbeben in Türkei und Syrien: Bereits fast 10.000 Tote

Rettungskräfte kämpfen gegen Zeit und Kälte
Zwei Tage nach den schweren Erdbeben im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien ist die Zahl der geborgenen Todesopfer rasant angestiegen.

Mehr als 9.600 Tote wurden Mittwochfrüh gemeldet. In kurzen Abständen verzeichneten Behörden und Rettungskräfte in beiden Ländern immer höhere Opferzahlen. Allein in den Regionen im Süden der Türkei seien bisher 7.108 Tote geborgen worden, teilte die Katastrophenschutzbehörde AFAD mit. Mehr als 37.000 Verletzte wurden bisher gezählt.

Aus Syrien meldeten die Behörden und die von der Opposition in den Rebellengebieten im Nordwesten betriebene Zivilschutzorganisation "Weißhelme" insgesamt mehr als 2.500 Tote. Zudem gab es dort mehr als 4.650 Verletzte. Die Helfer rechnen damit, dass es noch sehr viel mehr werden. Denn unter den Trümmern zusammengebrochener Häuser seien noch zahlreiche Menschen verschüttet, erklärten die "Weißhelme".

Im Lauf des Tages wurde der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Mitte Mai wiedergewählt werden will, im Katastrophengebiet erwartet. Er hatte am Dienstag den Notstand in den zehn betroffenen Provinzen ausgerufen und rasche Hilfe zugesagt. Allerdings mehrt sich bei den verzweifelten Menschen vor Ort der Unmut über die Behörden. "Wo sind die Zelte? Wo sind die Lkw mit Lebensmitteln?", empörte sich eine Frau in der schwer von den Erdstößen getroffenen Stadt Antakya. Rettungsteams habe sie bisher nicht gesehen. "Im Gegensatz zu früheren Katastrophen in unserem Land haben wir hier keine Lebensmittelverteilung gesehen. Wir haben das Erdbeben überlebt, aber wir werden hier an Hunger oder Kälte sterben."

Versagen beim Krisen-Management

Der türkische Oppositionsführer warf Präsident Erdogan indes Versagen beim Krisen-Management vor. Der Präsident habe es versäumt, das Land in seiner 20-jährigen Regierungszeit auf solch ein Beben vorzubereiten, sagte Kemal Kilicdaroglu, Chef der größten Oppositionspartei CHP. Die Türkei ist wegen ihrer geografischen Lage besonders erdbebengefährdet. Vielerorts wird jedoch auch die dürftige Bausubstanz als ein Grund für die vielen eingestürzten Häuser diskutiert.

Derweil dürften die Schreckensmeldungen neuer Opferzahlen nicht abreißen. Fieberhaft suchen Helfer weiter nach Menschen unter den Trümmern. Ein Kampf gegen die Zeit - und gegen eisige Temperaturen. An Ort und Stelle erschwert auch die politische Lage die Hilfen - so etwa am einzigen offenen Grenzübergang Bab al-Hawa zwischen der Türkei und Syrien. Wegen Straßenschäden verzögere sich dort die Lieferung humanitärer Hilfe, sagten UNO-Quellen. Aus der Gegend des Grenzübergangs hieß es, einige Hauptstraßen auf dem Weg zur Grenze hätten durch die Beben Risse oder andere Schäden erlitten.

Mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 hatte das Beben am frühen Montagmorgen das Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien erschüttert. Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben Region. Tausende Gebäude stürzten ein. Die Bergungsarbeiten sind ein Rennen gegen die Zeit: Die kritische Überlebensgrenze für Verschüttete liegt normalerweise bei 72 Stunden.

Von einem kleinen "Wunder" konnte am Mittwoch ein Krankenhaus im Norden Syriens berichten. Dort war den Angaben zufolge ein Baby in den Trümmern zur Welt gekommen und hat überlebt. Dem kleinen Mädchen gehe es gut, sagte der behandelnde Arzt Hani Maruf im Krankenhaus Afrin. Das Heimatdorf der Familie nahe der türkischen Grenze wurde von den Erdbeben schwer getroffen. Die gesamte Familie des Babys kam bei der Katastrophe ums Leben.

Frau lebend geborgen

In der Südosttürkei bargen Rettungskräfte eine Frau 52 Stunden nach dem Beben lebend unter den Trümmern. Bilder des Senders NTV zeigten am Mittwoch, wie die Einsatzkräfte in der Provinz Kahramanmaras die Frau auf einer Trage zum Krankenwagen trugen. Sie ist demnach 58 Jahre alt und aus einem eingestürzten Hotel geborgen worden.

Wie das Außenministerium am Dienstag mitgeteilt hatte, wurden zwei Österreicher in der Provinz Kahramanmaras in Anatolien tot geborgen. Weitere Vermisste Tote oder Vermisste mit österreichischer Staatsbürgerschaft gab es bisher nicht.

Kommentare