APA - Austria Presse Agentur

"Bewegt Euch. Selber!": Neues Buch über die Mobilitätswende

"Bewegt Euch. Selber!" heißt ein heute erscheinendes Buch, dessen Autoren schildern wollen, "wie wir unsere Mobilität für gesunde und klimaneutrale Städte neu erfinden können". Martha Wanat (Jahrgang 1989) und Stephan A. Jansen (Jahrgang 1971) nehmen dabei mehr eine aktivistische als eine nüchtern-neutrale Position ein. Sie sind Partei. Die "politische Unternehmerin" und der Professor für Urbane Innovation sind in der "Gesellschaft für urbane Mobilität BICICLI" tätig.

"BICICLI kommt aus der Wissenschaft & Werkstatt, aus der Unternehmens- & Politikberatung, aus der Mobilitäts- & Immobilienwirtschaft", heißt es im Mission Statement des 2016 gegründeten Unternehmens, das nach eigenen Angaben auch "deutschlandweiter Spezialist für Radflotten- und Dienstrad-Programme" ist und an Lösungen "für leisere, luftigere und (fahr-)lässigere Städte - mit Kosten-, Komplexitäts- und Co2-Reduktion für Unternehmen und jeden von uns" arbeitet. Doch das im renommierten Hanser Verlag erschienene und mit vielen Grafiken und Fotos flott aufgemachte Buch ist nicht einfach eine Propagandaschrift der Fahrrad-Lobby, sondern eine mit vielen Fakten untermauerte Bestandsaufnahme des urbanen Lebens und seiner Bewegungsprofile.

Dass eine dem privaten Autoverkehr absoluten Vorrang einräumende Mobilitätsstrategie zumindest für urbane Ballungsräume eine Sackgasse ist - daraus machen die Autoren freilich kein Hehl. Sie analysieren Beweggründe und Auswirkungen verschiedenster Fortbewegungsmittel und rufen für eine umfassende Wende auf, die nicht alleine auf einen Technologiewandel, sondern auf ein geändertes Verhalten der Stadtbewohner setzt. Ziel ist es, die Menschen vermehrt selbst in Bewegung zu setzen. Selbstbewegung sei auf kürzeren Strecken schneller, billiger, Platz sparender, leiser, gesünder und flexibler, argumentieren sie. Sie verstehen "Bewegt Euch. Selber!" als "ein wissenschaftliches, politisches und unternehmerisches Manifest für eine sich ökosystemisch denkende Stadt der Selbstbewegung". Für sie ist eine Mobilitätswende Teil einer Strategie "für mehr Lebensqualität, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit".

Viele im Buch angeführte Fakten und Argumente beziehen sich auf deutsche Städte und deutsche Politik. Doch ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit internationalen Beispielen - mit Experimenten der Straßenumwidmung von Brüssel über Oxford bis Ponteverda, mit asiatischen Smart Cities, mit einem Seilbahnprojekt in Amsterdam, der Vision der "15-Minuten-Stadt" der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo oder mit der auf die Schaffung verkehrsberuhigter Zonen setzenden "Superblock"-Strategie in Barcelona.

Auch Wien werden einige Seiten gewidmet. Die "Stadt, in der zwei Drittel der Flächen des öffentlichen Raumes noch von Autos okkupiert werden", schneidet dabei nicht schlecht ab: Lobend wird der Wiener Stadtentwicklungsplan STEP 2025 erwähnt, der den Autoverkehr reduzieren möchte und dafür u.a. auf billige Jahreskarten und hohe Parkgebühren setzt. Etwas ausführlicher und durchaus mit positiver Grundhaltung beschäftigen sich die Autorin und der Autor dabei mit der Seestadt Aspern. Etwas eigenwillig mutet dabei allerdings ihre Schwerpunktsetzung an: Das Kinderrad-Abo des ortsansässigen Fahrradhändlers, bei dem das Rad mit dem jeweiligen Kind quasi mitwächst, hat Eingang in das Kapitel gefunden, die heftig geführte Auseinandersetzung um die Stadtstraße dagegen nicht.

Eine Mobilitätswende sei aus vielen Gründen notwendig, argumentieren Jansen und Wanat, nicht zuletzt aus klimapolitischen. So seien etwa in Deutschland zwar zwischen 1990 und 2019 gut 35 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart worden, allerdings sei der Verkehr der einzige Sektor, der sogar noch zugelegt habe. Nach über 300 Seiten schließt das Buch mit einem zwölf Punkte umfassenden "Manifest der Selbstbewegung", das einen Weg in Richtung gesündere und klimaneutralere Städte weisen soll. Gefordert werden darin u.a. die Abschaffung der Rush Hour durch flexiblere Arbeitszeiten und mehr Home-Office, kurze Wege durch "polyzentristische Stadtentwicklung", Abschaffung von Pendlerpauschalen und Steuerprivilegien, Stärkung von Bürger-Beteiligungsmodellen und die Rückgewinnung von Verkehrsflächen, um Orte der Ruhe, des sozialen Austausches und der Bewegung zu schaffen - ganz im Sinne des Buchtitels: "Bewegt Euch. Selber!"

(S E R V I C E - Stephan A. Jansen, Martha Wanat: "Bewegt Euch. Selber! Wie wir unsere Mobilität für gesunde und klimaneutrale Städte neu erfinden können", Hanser, 368 Seiten, 30,90 Euro)