APA - Austria Presse Agentur

Blick ins größte private Fotoarchiv des Landes

Originalfotos von Kaiser Franz Josef, vom zerbombten Nachkriegswien oder von der Staatsvertragsunterzeichnung: Es sind Bilder, die Geschichte erzählen. In einer nur 100 Quadratmeter großen Altbauwohnung in Wien-Döbling befindet sich die laut Eigenangaben größte private Fotosammlung des Landes, die dem Verleger Christian Brandstätter gehört. Am Donnerstag gewährte er Journalisten einen Einblick.

Brandstätters Sammlung umfasst mehr als drei Millionen Fotografien, Papierbilder, Negative, Dias oder Grafiken. Die ältesten Stücke stammen aus den Anfängen der Fotografie um 1840, die jüngsten aus dem Jahr 2017. Die Fotos sind sorgfältig in Kisten, Kästen und Alben archiviert, manchmal nach Themen geordnet, manchmal alphabetisch. Das Spektrum reicht von Politik über Wissenschaft bis Sport, von Autos bis zu Blumen, von Königin Elisabeth bis zur Skilegende Franz Klammer.

Eigentlich wollte Brandstätter Kunst sammeln, aber die konnte er sich als Student nicht leisten. So kam er in den 1960er-Jahren zur Fotografie: "Man bekam damals relativ günstig unglaublich tolle Fotos." Seinen Schwerpunkt legte er auf österreichische Fotografie. 1982 gründete er dann den Brandstätter Verlag, seinem Hobby blieb er aber weiter treu. Was ihn an der Fotografie fasziniert? "Natürlich der künstlerische Aspekt. Aber es ist auch eine Dokumentation der Alltagskultur und der Zeitgeschichte. Wenn man über die Vergangenheit Bescheid weiß, ist man auch für die Zukunft gewappnet."

Viele der Bilder haben einen künstlerischen und historischen Wert. In der Sammlung befinden sich viele Fotos von Madame d'Ora, Trude Fleischmann, Emil Mayer und anderen bedeutenden Protagonisten der österreichischen Fotogeschichte. Überdies werden auch die Nachlässe von Franz Hubmann, Barbara Pflaum oder Franz Xaver Setzer respektive das Bildarchiv Votava verwaltet.

So gibt es Originalfotos von vielen Persönlichkeiten wie Lenin, Stefan Zweig, Charlie Chaplin, der jungen Queen Elizabeth, Albert Einstein, General Franco oder Winston Churchill. Auf anderen Bildern sind wiederum bedrückende Szenerien der Nazizeit zu sehen - beispielsweise von die Straße putzenden jüdischen Bürgern oder von der Leni-Riefenstahl-Premiere "Triumph des Willens". Auch Modefotos aus den 1920er-Jahren oder ein Reisealbum von Kaiserin Elisabeth aus den 1890er-Jahren finden sich in der Sammlung.

Eines der wertvollsten Foto in seinem Besitz ist laut Brandstätter ein Abbild Gustav Klimts mit Katze, aufgenommen von Moritz Nähr. "Das kostet rund 40.000 Euro für einen schönen großen Abzug", so der Sammler, der immer auf der Suche nach weiteren Fotografien ist. Fündig wird er in der Regel über Netzwerke oder in dem sich Leute bei ihm melden. Manchmal kauft er ganze Konvolute, manchmal sind es einzelne Exemplare.

Betreut wird die Sammlung von Archivar Gerald Piffl. Er hat die Sammlung im Kopf, weiß Zahlen, Daten und Fakten zu den Fotografien. "Das weiß nur der Piffl", verwies Brandstätter während des Rundgangs bei besonders speziellen Fragen auf ihn. Der Archivar kümmert sich auch um die historische Aufarbeitung und Digitalisierung. Denn die Fotografien der Sammlung wurden bis 2017 über die Bildagentur Imagno vertrieben, nun geschieht dies über die Agentur APA-Picturedesk. Außerdem werden die Fotografien an Ausstellungen verliehen. Derzeit befinden sich etwa 20 Madame-d'Ora-Fotos auf dem Weg nach New York, wo sie ab dem Frühjahr in Ronald Lauders Neue Galerie gezeigt werden.

Anlass für den seltenen Einblick in die Brandstätter-Sammlung ist der am Montag im Brandstätter-Verlag erscheinende Bildband "Wien 1900". Diesen gibt es auch als Sammleredition, die mit einer Auflage von 250 Stück streng limitiert wurde. Dieser ist u.a. ein Faksimile eines Liebesbriefs von Klimt beigelegt. Für das Werk muss man etwas tiefer in die Tasche greifen, es kostet 300 Euro. Zusätzlich gibt es noch eine (noch etwas teurere) Luxusvariante mit einer Originalpostkarte der Wiener Werkstätten.