Börse-Chef: Finanztransaktionssteuer schlechtes Geschäft

Christoph Boschan befürchtet "grandioses Minusgeschäft"
Für den Chef der Wiener Börse, Christoph Boschan, ist eine Finanztransaktionssteuer wie sie jüngst vom deutschen Finanzministers Olaf Scholz vorgeschlagen wurde, ein rotes Tuch. "Eine Finanztransaktionssteuer wäre für Österreich ein sehr, sehr schlechtes Geschäft," sagte der Börse-CEO im Gespräch mit der APA. Es wäre ein "grandioses Minusgeschäft" für das Land.

Nicht nur würde die Einführung einer solchen Steuer einen erheblichen administrativen Aufwand mit sich bringen, für die Wiener Börse würde die Einführung einer solchen Steuer einen "unmittelbaren und dauerhaften" Liquiditätseinbruch am Sekundärmarkt von 25 Prozent bedeuten, so Boschan. Die Zahl für Österreich leitet der Wiener-Börse-Chef aus einer Studie ab, die er selbst vor fünf Jahren im Zusammenarbeit mit dem Karlsruhe Institute of Technology zu den Auswirkungen einer französischen Finanztransaktionssteuer erstellt habe.

Darüber hinaus würde die Wettbewerbsfähigkeit der Länder, die bei der Steuer mitmachen, gegenüber den übrigen EU-Ländern massiv leiden. Belastend hinzu kommt laut Boschan, dass die Briten der gesamten EU in punkto Wettbewerb bald davonziehen werden, da sich diese mit dem Brexit "von allen MiFID-Fesseln" - also von den EU-Regulierungsvorschriften - lösen können. In der von Scholz vorgeschlagenen Form sei die Finanztransaktionssteuer aber ohnehin "tot", so Boschan.

Auch die Digitalsteuer, die in Österreich mit 2020 kommt, hält Boschan nicht für sinnvoll. Es sei ein "völlig falscher Weg, Umsätze zu besteuern", so der Börse-Chef. "Wenn du Gewinne macht, gibst du etwas ab", so der Börse-Chef. Das sei gesellschaftlich anerkannter Konsens. "Aber Umsatzsteuer: no go. Also abseits der Umsatzsteuer, die wir eh schon haben."

Für 2020 wünscht sich der Börse-Chef auf EU-Ebene mehr Bedacht bei der Regulierung. Es werde nicht genug darauf geachtet, wann wirklich reguliert werden muss. Ginge es nach ihm, sollte für jede existierende und geplante Regulierung vor allem überprüft werden, ob es die Abwicklung eines Geschäfts für Emittenten oder für Investoren "schneller, einfacher oder kostengünstiger" mache. Auf österreichischer Ebene erneuerte Boschan seine Forderungen nach einer Senkung der Kapitalertragssteuer (KESt) auf Wertpapiere von 27,5 auf 25 Prozent, nach einer Unternehmenssteuerreform sowie nach deutlich mehr Finanzbildung. Die Unternehmenssteuer in Österreich sei "prohibitiv hoch" und müsse international deutlich wettbewerbsfähiger werden.

Darüber hinaus plädiert der Wiener-Börse-Chef nach wie vor für eine Behaltefrist für Aktien für Privatanleger, nach deren Ablauf die Anleger von der KESt befreit werden könnten. Dies würde auch diejenigen Investoren fördern, die den Aktienmarkt nicht als Spekulations- sondern als Investitionsinstrument benutzen. Die langfristig orientierten Anleger seien genau die, die die Wiener Börse auch anziehen wolle, so Boschan.

Für das Unternehmen selbst rechnet der Börse-CEO nach dem erfreulich gelaufenen Jahr 2019 auch im kommenden Jahr mit einer positiven Entwicklung. Operativ geht er für 2020 von einem stabilen Ebit aus. Für 2019 werde die Börse ihre Budgetvorgaben "ziemlich genau treffen", so Boschan. Und das, obwohl die Handelsumsätze um 11,5 Prozent auf 59,90 Mrd. Euro (Stand 13. Dezember) zurückgegangen sind. Geholfen habe unter anderem das Wachstum im IT-Bereich und im Datengeschäft.

Mit den rückläufigen Umsätzen liege Wien im europäischen Trend, denn auch in anderen europäischen Ländern sei es mit den Umsätzen heuer bergab gegangen. Dies liege vor allem an der weltweit herrschenden Unsicherheit, die durch den nahenden Brexit, die anhaltenden Handelskonflikte und den zu Ende gehenden Konjunkturzyklus hervorgerufen werde. Der ATX hat sich 2019 indessen positiv entwickelt. Ohne Berücksichtigung von Dividenden erzielte der Wiener Leitindex bis dato bereits ein plus von 15,4 Prozent.

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