APA - Austria Presse Agentur

Bolton: Russland könnte Atomwaffen in der Ukraine einsetzen

Der frühere nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, hält einen Einsatz von taktischen Atomwaffen durch die russische Armee im Ukraine-Krieg für möglich.

"Ich kann mir Szenarien vorstellen, dass die russische Armee an den Einsatz von taktischen Atomwaffen denken könnte, wenn die Dinge in der Ukraine noch schlimmer (für sie, Anm.) werden als sie derzeit scheinen", sagte Bolton in einem am Mittwochabend ausgestrahlten Interview mit dem Fernsehsender "Puls 24".

Er denke zwar, dass die Atomwaffendrohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin "derzeit hauptsächlich ein Bluff ist, aber es könnte sich zu etwas Ernsterem entwickeln", sagte der frühere US-Spitzendiplomat. Teilweise sei es Putin wohl auch darum gegangen, dem Westen einen Schrecken einzujagen. Man müsse die von Putin verkündete Alarmbereitschaft für die Atomwaffen aber ernst nehmen.

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Stärke der Armee überschätzt

Bolton glaubt nicht, dass der russische Präsident ein geistiges Problem hat. "Es gibt keinen Grund zu denken, dass er nicht eine in seinen Augen rationale Politik verfolgt", sagte der frühere Topberater von Ex-Präsident Donald Trump. Er habe aber einige Fehler gemacht und sowohl die westliche Antwort auf sein Vorgehen unterschätzt als auch die Stärke seiner Armee überschätzt.

Der Fehler des Westens sei in den vergangenen Jahren gewesen, nicht zu verstehen, "wie stark seine Gefühle in Bezug auf die Ukraine und Belarus sind". Putin habe den Zerfall der Sowjetunion als geopolitische Katastrophe bezeichnet und habe nun das Ziel, die russische Hegemonie auf dem Gebiet der Ex-Sowjetunion wiederherzustellen.

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Man hätte Putin "abschrecken können"

"Man hätte ihn abschrecken können, wenn man früher stärkere Maßnahmen gesetzt, mehr Waffen und mehr Unterstützung sowie mehr NATO-Kräfte geschickt hätte", sagte Bolton auf die Frage, wie man Putin von der Invasion in die Ukraine hätte abbringen können. Auf die russischen Generäle hätte es nämlich einen Eindruck hinterlassen, wenn sie in ihren Feldstechern auch NATO-Soldaten gesehen hätten, so Bolton.

Bolton äußerte sich erfreut über die Einigkeit des Westens und die beschlossenen Sanktionen. Allerdings hänge viel davon ab, wie diese umgesetzt werden. Als Beispiel nannte er vor vier Jahren erlassene US-Sanktionen gegen den russischen Oligarchen Oleg Deripaska. "Heute sind immer noch Häuser im Raum Washington in seinen Händen", so Bolton.

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Ex-Präsident Trump sei "teilweise verantwortlich für diesen Konflikt", so Bolton. Er verwies konkret auf den Aufruhr, den der damalige Präsident durch die innenpolitisch motivierte Zurückhaltung von US-Hilfe für die Ukraine erzeugt habe. Deswegen sei es "ein Jahr lang unmöglich gewesen, ernsthaft über die Bedrohungen für die Ukraine in ihrer Nachbarschaft zu sprechen". Zudem habe Trump die NATO durch seine Attacken geschwächt und damit Putin ermutigt. Somit wäre es "schlimmer, wenn Trump noch Präsident wäre".

Mit der Ukraine-Politik Bidens ist Bolton aber auch nicht zufrieden. "Biden verfolgt eine falsche Politik", kritisierte der als "Falke" geltende Außenpolitikexperte die aus seiner Sicht mangelnde Entschlossenheit der aktuellen US-Regierung. So seien etwa einige der wichtigsten russischen Banken vom SWIFT-Bann ausgenommen, und Washington schrecke auch vor Sanktionen gegen den russischen Gas- und Ölsektor zurück. "Sie haben Angst vor höheren Benzinpreisen", so Bolton, der auch die Befürchtung äußerte, dass die Entschlossenheit des Westens in Sachen Sanktionen nachlassen werde, "wenn der Konflikt in der Ukraine vorbei ist".