Bregenzer Festspiele - Sobotka sagt Adieu zu Vorarlberg
"Der Bodensee ist das eindrucksvollste Element gewesen, das mich die Jahre begleitet hat", so die Intendantin. Die Weite und Lebendigkeit des Sees hätten sie stets beflügelt. "Ich bin glücklich, dass die Produktionen sowohl am See als auch abseits des Sees aus meiner Sicht künstlerisch überzeugt und funktioniert haben und ein Publikum gefunden haben", so Sobotka, die die Festspiele seit 2015 verantwortet. Ihr Wunsch, die Vielfalt zu feiern, ein buntes Programm auf die Beine zu stellen und "die Möglichkeiten zu nutzen, die dieser einzigartige Ort bietet", sei aufgegangen.
Aus einer "verrückten Idee" nach dem Krieg, Oper zu machen, habe sich hier ein gesamter Festspielbezirk mit drei ganz unterschiedlichen Bühnen in enger Verbindung mit anderen Kulturbetrieben entwickelt. Die damalige bürgerschaftliche Initiative werde bis heute gelebt. "Es würde wahrscheinlich nicht funktionieren, wenn das nicht eine ganze Stadt, eine ganze Region mittragen würde. Fünfeinhalb Wochen tobt hier der Wahnsinn - und es wird mitgetragen. Von allen!", zeigte sich Sobotka noch immer beeindruckt.
Als Versäumnis fiel der Intendantin ein, dass sie gerne jede Hausproduktion als Koproduktion ausgeführt gehabt hätte, was nicht möglich gewesen sei. "Ich freue mich aber, dass Tancredi (Anm.: die diesjährige Hausoper) weiterlebt und nach Köln geht", so die Intendantin. Außerdem hätte sie noch gerne ausprobiert, "ob Osterfestspiele hier funktionieren". Eine Lieblingsproduktion habe sie nicht. Jede Produktion habe etwas Besonderes gehabt, weil man hier "in der Entstehung ein bisschen näher dran ist", sagte Sobotka, die etwa viele der Uraufführungen sehr eng betreute. Anders als an Opernhäusern könne man die Zeit unterm Jahr gut zur Vertiefung nutzen.
Selbst die Abende in der "Wetterküche" der Festspiele sind für die Intendantin mit guten Erinnerungen verbunden. Sowohl die Atmosphäre bei schönem Wetter, als auch wenn man einen Abend trotz Regens gemeinsam mit dem Publikum durchstehe, seien "etwas sehr Spezielles". "Das Traurigste ist, wenn man abbrechen muss", so Sobotka. Man setze sich bei den Festspielen aber eben einem Element ganz aus, "und das hat auch eine Stärke".
"Der Schock, nicht mehr Theater, nicht mehr Oper machen zu können, steckt mir bis heute in den Knochen", so die Intendantin über die Pandemie-Zeit. 2020 mussten das Festival abgesagt werden, es blieben nur sehr eingeschränkte "Festtage". Die gesellschaftlichen Veränderungen seien bis heute dramatisch. "Man merkt immer mehr, was für Gräben aufgerissen wurden. Ich finde es schade, dass nicht viel mehr gefeiert wurde, dass wir das überstanden haben. Trotz Fehlern hat sich ja auch gezeigt, wie Menschen zusammenstehen können", fand Sobotka. Die Welt werde heute vielfach als Schwarz oder Weiß gesehen, "aber so ist die Welt nicht, sie ist viel komplexer".
In Krisenzeiten ist für sie zentrale Aufgabe der Kunst, zu "beweisen, dass unterschiedliche Meinungen nicht nur möglich, sondern notwendig sind". Gerade soziale Medien seien von einer schnellen Meinungsfindung geprägt "und da haben wir die Möglichkeit und die Aufgabe zu zeigen: Nein, so einfach ist es nicht". Im besten Fall könne man mit einer Theater- oder Opernvorstellung, die stets mehrere Zugänge eröffne, einen Nachdenkprozess anstoßen. "Denn diese Farben und Schichten sind etwas ganz Essenzielles für den Menschen, das macht uns aus", ist sie überzeugt.
Bei den Festspielen habe man nach der Pandemie den Erfolg der damaligen Seeoper "Rigoletto" weitertragen können. Dass die Festspiele keinen Besucherrückgang hinnehmen mussten, liegt für Sobotka an der großen Zugkraft des Festivals sowie der Region selbst, die eine Mischung aus Urlaubs- und Kulturdestination sei, was das Publikum zum Kommen verführe.
Aus Vorarlberg nehme sie künstlerisch und menschlich "viele spannende Begegnungen" mit. "Was ich gemerkt habe, ist wie weit weg Vorarlberg von Wien ist", so die Wienerin über das Leben und Arbeiten im Ländle. Wie sehr sich in Österreich alles auf Wien konzentriere, sei schon sehr spürbar. Umso wichtiger sei es, gute Partner, etwa den ORF, zu haben, um Präsenz zeigen zu können. Von Vorarlberg zeigte sie sich "wirklich begeistert". Es herrsche große Leistungsbereitschaft, viel Teamgeist, man sei im Haus "sehr uneitel und inhaltlich orientiert". Diese besondere Arbeitsatmosphäre habe auch ihre Nachfolgerin Lilli Paasikivi schon wahrgenommen. "Ich gratuliere ihr von Herzen, dass sie dieses tolle Festival führen wird", sagte Sobotka.
Ihre letzte Saison genießt die Noch-Intendantin in vollen Zügen. "Ich bin ein Mensch, der ganz im Moment lebt", erklärte sie. Noch sei sie ganz in Bregenz. Danach wird sie an die Berliner Staatsoper Unter den Linden wechseln, wo sie bereits 2002 bis 2009 als Operndirektorin wirkte. Dort gebe es unvorstellbare Konkurrenz im kulturellen Angebot. Schon innerhalb der Stiftung - sie fasst drei Opernhäuser - gebe es Konkurrenz "im besten Sinne". "Es wird unsere Aufgabe sein, die Profile zu schärfen, die Unterschiede zu betonen", so Sobotka zur neuen Aufgabe.
Wichtiges Element dabei sei, dass die Staatsoper das führende Opernorchester Berlins habe. Der langjährige Generalmusikdirektor Daniel Barenboim habe dessen Niveau nicht nur gehalten, sondern gesteigert. "Es hat ein Qualitätsbewusstsein und das Bewusstsein einer eigenen Klangkultur", hob Sobotka hervor. Barenboim, der aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, habe nun mit Christian Thielemann einen "kongenialen Nachfolger" gefunden. Sie freue sich auf einen inspirierenden Austausch im Ganzjahresbetrieb, der ihr in Bregenz unterm Jahr mitunter gefehlt habe. Nach Vorarlberg will Sobotka dennoch oft wiederkommen. Einerseits werde es etwas dauern, die Zelte hier abzubrechen, andererseits "habe ich das Land und die Menschen hier wirklich lieben gelernt".
(Das Interview führte Angelika Grabher-Hollenstein/APA)
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