APA - Austria Presse Agentur

Das britische Parlament erschwert Johnsons No-Deal-Brexit

Das britische Parlament hat am Donnerstag Boris Johnson noch vor seinem erwarteten Antritt als Premierminister einen herben Dämpfer verpasst. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich für einen Gesetzeszusatz, der eine Zwangspause des Parlaments rund um den geplanten EU-Austritt am 31. Oktober erheblich erschwert.

Damit könnte sich Johnson wohl nicht wie befürchtet über das Parlament hinwegsetzen, um einen Brexit ohne Abkommen zu erreichen.

Aus einer am Donnerstag veröffentlichten Analyse einer unabhängigen Behörde im Auftrag der britischen Regierung geht indes hervor, dass ein EU-Austritt ohne Abkommen Großbritannien in eine Rezession führen und erhebliche Folgen für das britische Budget haben könnte. London müsste im Falle eines No-Deal-Brexits jährlich 30 Milliarden Pfund (33,4 Milliarden Euro) an zusätzlichen Schulden aufnehmen, heißt es in dem Bericht des Office for Budget Responsibility, das regelmäßig Analysen zur Stabilität des britischen Budgets im Auftrag der Regierung erstellt.

Für ihre Schätzungen gingen die Experten davon aus, dass ein EU-Austritt ohne Abkommen zu sinkenden Investitionen, einem Rückgang an Exporten wegen erhöhter Handelsbarrieren und einem heftigen Wertverfall des britischen Pfunds führen würde. Die Wirtschaft würde in diesem Szenario in eine Rezession gestürzt werden und bis Ende 2020 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts einbüßen.

Die Autoren des Berichts machten jedoch deutlich, dass die Folgen eines No-Deal-Brexits auch weitaus dramatischer ausfallen könnten. Kilometerlange Staus wegen Zollkontrollen, beispielsweise am Fährhafen in Dover, seien bei der Schätzung ausgeklammert worden.

Finanzminister Philip Hammond warnte, die Auswirkungen eines No-Deal-Brexits, wie er derzeit von den beiden Kandidaten im Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May in Betracht gezogen wird, würden noch "viel härter" sein. "Die Rezession wäre größer", sagte Hammond der BBC am Donnerstag.

Johnson und Außenminister Jeremy Hunt, die um das Amt des Regierungschefs konkurrieren, wollen beide einen No-Deal-Brexit in Kauf nehmen. Mit Äußerungen zu ihren Verhandlungszielen bis zum geplanten EU-Austritt am 31. Oktober schürten sie zuletzt die Ängste vor einem ungeordneten Austritt. Der Wert des britischen Pfunds stürzte daraufhin ab.

Die EU lässt sich unterdessen von der Aussicht auf einen ungeregelten EU-Ausstieg der Briten Chefunterhändler Michel Barnier zufolge nicht beeindrucken. Großbritannien habe das von Anfang an gewusst, sagte Barnier in einem Interview der BBC laut Vorabbericht vom Donnerstag. Es sei nicht hilfreich, diese Drohung einzusetzen.

Wenn es aber zu einem sogenannten harten Brexit komme, müsse das Vereinigte Königreich die Konsequenzen tragen. Der EU-Ausstiegsvertrag sei die einzige Möglichkeit für die Briten, geordnet aus der EU auszusteigen, sagte Barner.

Frans Timmermans, erster Vize-Präsident der EU-Kommission, meldete sich unterdessen mit einem vernichtenden Urteil über die britische Verhandlungsführung zu Wort. Als die Scheidungsgespräche 2017 begannen, habe er mit einem professionellen Auftreten der britischen Minister gerechnet. "Wir dachten, sie wären so brillant", sagte Timmermans ebenfalls dem BBC. "Dass in irgendeinem Gewölbe von Westminster ein Buch mit allen Tricks ... im Stil von Harry Potter liegt." Aber dann sei er mit Schrecken auf den Gedanken gekommen, die Briten hätten gar keinen Plan und die Zeit laufe ihnen davon. Es sei wie bei Lance Corporal Jones gewesen, fügte er mit Blick auf die Figur einer BBC-Komödie hinzu: "'Keine Panik, keine Panik!' Und Herumlaufen wie Idioten."