APA - Austria Presse Agentur

Initiative fordert Recht auf längeren Schulbesuch für Kinder mit Behinderung

Eine Bürgerinitiative fordert einen Rechtsanspruch auf einen längeren Schulbesuch für Kinder mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen. Derzeit ist dies nur mit Genehmigung möglich.

In Österreich gilt eine Schulpflicht von neun Jahren, der allergrößte Teil der Jugendlichen besucht danach noch eine weiterführende Schule. Für SchülerInnen, denen wegen einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung sonderpädagogischer Förderbedarf attestiert wird, ist nach dem 10. Schuljahr allerdings Schluss. 

Weitere Schuljahre nur mit Bewilligung möglich

Derzeit muss ein 11. und 12. freiwilliges Schuljahr vom Schulerhalter und der zuständigen Schulbehörde genehmigt werden, die Voraussetzungen sind im Gesetz aber nicht explizit geregelt. In der Praxis würden die freiwilligen zusätzlichen Schuljahre "seit einiger Zeit nur noch in den seltensten Fällen bis gar nicht" gewährt, kritisiert Karin Riebenbauer, selbst Mutter eines Sohnes mit Entwicklungsverzögerung, die mit der ebenfalls betroffenen Familie Mühlbacher die Bürgerinitiative "Recht auf Bildung für Alle – Recht auf ein 11.+12. Schuljahr für Kinder mit Behinderung" gestartet hat.

Riebenbauer sitzt zwar für die NEOS in einem Wiener Bezirksparlament, die Initiative sei aber strikt überparteilich, wie sie betont.

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Petition wird im Nationalrat eingereicht 

Am Montag wird die Petition für das Recht auf Bildung bis 18 mit rund 35.000 Unterschriften im Nationalrat eingereicht, danach kann sie auf der Homepage des Parlaments unterstützt werden. Zusätzlich haben Riebenbauer und die Mühlbachers auf Basis abgelehnter Bescheide Klage gegen die Republik eingereicht.

Nicht mehr "ansuchen und bitten müssen"

Ziel sei eine Gesetzesänderung, "damit Kinder mit Behinderung wie alle anderen auch bis 18 in die Schule gehen dürfen", erklärt Riebenbauer gegenüber k.at. Durch die aktuelle Regelung dürften die Jugendlichen nämlich nach dem 10. Schuljahr nicht mehr in die Schule, dabei wären gerade diese zusätzlichen Schuljahre so wichtig für bessere Chancen auf einen Job am Arbeitsmarkt und auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben. "Gerade in der Pubertät tut sich kognitiv viel", so Riebenbauer. Ihr Sohn etwa habe jetzt mit 13 Jahren zu schreiben begonnen.

Außerdem gehöre die aktuelle Ungleichbehandlung in dieser Frage beendet: Während in einigen Bundesländern die freiwilligen zusätzlichen Schuljahre eigentlich immer genehmigt würden, gebe es etwa in Wien mit Verweis auf zu wenige Schulplätze und Personal in der Regel eine Ablehnung.

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Fatale Folgen für die betroffenen Familien 

Die Folgen für die betroffenen Familien seien massiv: Wer es sich leisten könne und einen Platz findet, könne die Jugendlichen in privaten Einrichtungen weiter unterrrichtet werden lassen oder in einer Tageswerkstätte unterbringen, wo der Betrieb aber teilweise zu Mittag schon wieder endet. Teilweise stünden die Familien durch die Ablehnung "am Rande der Existenz", weil von einem Monat auf den anderen ein Elternteil zuhause bleiben müsse, berichtet Riebenbauer, die auch als Elternvertreterin an der Wiener Hans-Radl-Schule aktiv ist. Für die Kinder falle damit zudem der Ort weg, an dem sie ihre Freunde treffen und wo ihr Sozialleben stattfindet.

Spätere Einschulung nicht möglich

Die geltende Rechtslage in Österreich geht aus Sicht der Bürgerinitiative-InitiatorInnen an den Bedürfnissen von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) vorbei. So sei es etwa nicht möglich, Kinder mit Entwicklungsverzögerungen erst ein oder zwei Jahre verspätet einzuschulen, wenn sie tatsächlich schulreif sind.

Gerade deshalb sei es auch so wichtig, dass die Jugendlichen mit Behinderungen und Entwicklungsverzögerungen zusätzliche Schuljahre Zeit für ihre weitere Entwicklung bekommen.

Forderungen der Bürgerinitiative 

Konkret wird in der Bürgerinitiative gefordert, dass Kinder mit einer Entwicklungsverzögerung aufgrund einer Behinderung (etwa Trisomie 21) bis zu zwei Jahre später eingeschult werden können.

Außerdem brauche es einen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr, dafür sollen inklusive Modelle an Berufsbildenden mittleren Schulen und Fachschulen geschaffen werden.

Und es brauche mehr Fachkräfte für inklusive Pädagogik. Die Regierung wird auch aufgefordert, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen und dieses Feld durch bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung attraktiver zu machen.

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Unterstützung durch die NEOS

Schon jetzt kann die Bürgerinitiative im Nationalrat mit Unterstützung der NEOS rechnen. Diese haben bereits 2020 einen Antrag auf Änderung der Regelungen für behinderte SchülerInnen im Schulunterrichtsgesetz gefordert, am 30. November soll ein weiterer Antrag auf bedarfsgerechte sonderpädagogische Förderung bis zur 12. Schulstufe im Unterrichtsausschuss Thema sein.

Laut den aktuellsten verfügbaren Daten haben im Schuljahr 2020/21 rund 800 SchülerInnen ein freiwilliges 11. und weitere knapp 300 ein freiwilliges 12. Schuljahr besucht, zeigt eine Anfragebeantwortung des Bildungsministeriums. Im selben Jahr wurden knapp 300 Schüler mit SPF später als gesetzlich vorgesehen eingeschult.