APA - Austria Presse Agentur

Bundesheer: Russische Armee auf Jahre geschwächt

Russlands Präsident Wladimir Putin strebt bis zum 9. Mai - dem russischen Feiertag zum Tag des Siegs im Zweiten Weltkrieg - eine Entscheidung im Ukraine-Krieg an.

Dass das gelingen wird, ist aus Sicht des österreichischen Bundesheers fraglich. Letztlich werde die russische Armee aber über Jahre geschwächt aus dem Krieg hervorgehen, weil sie durch Fehlkalkulationen seitens des Kremls nicht auf so einen intensiven und langen Konflikt vorbereitet gewesen sei, so die Annahme.

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Allerdings könnte es in den kommenden drei Wochen durchaus vorentscheidende Entwicklungen geben, erklärte Oberst Berthold Sandtner jüngst in einem APA-Gespräch. Sollte es der russischen Armee gelingen, bei ihrer Offensive im Osten der Ukraine den Ring um Luhansk und Donezk zu schließen und vor allem die militärische Unterstützung und Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine zu unterbinden, würde die ukrainische Verteidigung durchaus erheblich eingedämmt werden, erläuterte Sandtner.

Insbesondere in der symbolisch wichtigen Stadt Mariupol werde die russische Armee nicht aufgeben, bevor sie nicht "den letzten Widerstand ausgelöscht" habe. Eine "Komplettzerstörung" solle dem russischen Narrativ dienen, die Ukraine zu "entnazifizieren". Die russischen Streitkräfte halten auch Gebiete westlich der Krim, etwa in der Region Cherson, die eine wesentliche Bedeutung für die Versorgung der 2014 von Russland besetzten Halbinsel mit Wasser habe. Diese Wasserversorgung sei aber von den Ukrainer gekappt worden.

Momentan spiele das Wetter der Ukraine in die Hände, weil weite Territorien zur aktuellen Jahreszeit verschlammt seien und die russischen Panzer sehr eingeschränkt operieren könnten. Der materielle Überlegenheit der geschätzt rund 80.000 Mann starken russischen Armee stünde weiterhin der weitaus stärkere Kampfwille der ukrainischen Verteidigung gegenüber, heißt es seitens des Bundesheers. Letztlich könnte es auch zu einer Pattsituation kommen, in der die Lage an den Fronten für lange Zeit praktisch eingefroren werde.

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Insgesamt sei das russische Militär durch den Krieg in der Ukraine aber nachhaltig geschwächt. Die Gefallenenzahl schätzt Sandtner auf "jenseits von 10.000" getöteten Soldaten. "Das militärische Potenzial wurde auf viele, viele Jahre abgenutzt", sagte der Bundesheer-Oberst gegenüber der APA. Allerdings habe Russland mit den Atomwaffen die "Schwarze-Peter-Karte in der Hand".

Präsident Putin habe aus bisher nicht wirklich geklärten Gründen die Situation offenbar völlig falsch eingeschätzt und bei Beginn des Angriffs Ende Februar gedacht, Russland könne die Ukraine in wenigen Tagen und ohne größeren Widerstand besetzen, meinte Sandtner. "Es gab auch keine vernünftige militärische Führungsstruktur." Zudem seien viele Soldaten nicht in die Ziele der Militäraktion eingeweiht worden.

Letztlich habe Putin aber in mancher Hinsicht das Gegenteil von dem erreicht, was er als Gründe für die "Spezialoperation" angegeben habe, analysierte der Bundesheer-Experte. So könnte die NATO näher an Russland heranrücken, wenn Schweden und Finnland tatsächlich dem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis beitreten sollten.

Dass Russland derartige Avancen sehr skeptisch beäuge, sei offensichtlich, schließlich habe Moskau schon Kampfflugzeuge von der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad (Königsberg) zwischen Polen und Litauen losgeschickt, die von der schwedischen Flugabwehr abgedrängt worden seien. Diese Flieger seien offenbar mit taktischen Atomwaffen bestückt gewesen, erinnerte Sandtner. Freilich werde wohl nie geklärt werden, ob diese wirklich scharf gewesen sein.