APA - Austria Presse Agentur

Burgtheaterstudio-Leiterin: "Andere Communities ansprechen!"

"Im Moment ist es schwierig mit dem Theater", sagt Anja Sczilinski. Die Leiterin des Burgtheaterstudios, in dem Kinder und Jugendliche mit Profis arbeiten, ist nicht nur mit den üblichen Ensemble-Problemen angesichts der hohen Coronazahlen konfrontiert. Die Pandemie und nun auch der Ukraine-Krieg machen den jungen Leuten besonders zu schaffen. Umso wichtiger sei es, dass auch die neue Produktion eine wesentliche Grundhaltung vermittle: "Nichts ist wichtiger als Solidarität!"

Die Österreichische Erstaufführung von "Dschabber" war schon vor längerer Zeit geplant und soll am Freitag (8. April) im Vestibül nun endlich stattfinden. Der kanadische Autor Marcus Youssef, Sohn eines ägyptischen Vaters und einer weißen amerikanischen Mutter (eine Ehe, die bei ihrer Schließung 1960 in über der Hälfte der US-Bundesstaaten illegal war), erzählt in seinem Stück von der Schülerin Fatima. Die junge Muslima hat gerade nach einer rassistischen Schmieraktion die Schule gewechselt und muss ihre Rolle im Klassenverband finden. Selbstbewusst verteidigt sie ihre Entscheidung, einen Hidschab zu tragen. Als sie sich verliebt und sich im Internet-Chat für einen Augenblick dazu verleiten lässt, ihr Tuch abzunehmen, bekommt sie Probleme. Denn Jonas, ihr Schwarm, hat nicht nur nette Seiten...

In der von Sczilinski inszenierten "Dschabber"-Produktion des Burgtheaterstudios ist jede Figur dreifach besetzt. Und Fatima wird auch, aber nicht nur, von jungen muslimischen Frauen gespielt. "Es ist total wichtig, authentische Besetzungen zu haben, die ihre eigenen Erfahrungen einfließen lassen. Das Stück ist ja auch gemeinsam mit jungen Muslimas entstanden. Es gibt viele verschiedene Motive, ein Kopftuch zu tragen", sagt die 1975 in Thüringen Geborene, die ihre Ausbildung u.a. in Sao Paulo machte, im APA-Gespräch. "Die Frage, die sich stellt, ist: Reproduziert man auf der Bühne Klischees - oder bricht man sie auf?"

Die Diskussionen um Repräsentation und Diversität seien wichtig, aber nicht immer einfach, erzählt Sczilinski. Schon dass eine weiße Nicht-Muslima das Stück inszeniere, sei nicht ganz unproblematisch. Gerade deswegen ist ihr wichtig, dass Produktion und Arbeit an der Textfassung von einer jungen muslimischen Feministin begleitet wird. Auch ein Konzept zur Vermittlung des Stückes und ein Anti-Rassismus-Workshop seien sehr erfolgreich gewesen. "Nichts geht an uns vorbei. Wir sind mitten drinnen. Natürlich können wir die Welt mit unserer Theaterarbeit nicht ändern. Aber wir können ihr mit Würde begegnen - und mit einem großen solidarischen Herz."

Bei den Castings habe man nach jungen Frauen gesucht, die etwas zu diesem Thema beitragen könnten. Die Frage "Wer darf das spielen?" wurde bei Fatima schließlich pragmatisch gelöst. "Für mich ist das natürlich auch ein Schauspielvorgang. Es ist eine Rolle." So hätten sich etwa zunächst durchaus junge Frauen mit Kopftuch beworben, seien jedoch durch mehrfache Verschiebung der Produktion nicht mehr gekommen. Die Probleme, die Fatima in "Dschabber" nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause bekommt, sind wohl keineswegs aus der Luft gegriffen - und diese auf der Bühne auch darzustellen nicht gerade unproblematisch. Eine blonde und blauäugige Darstellerin ist übrigens auch dabei. "Wir haben sie als Erzählerin eingebaut."

"Ein Haus wie das Burgtheater muss sich solchen Themen stellen." Die Diversität des Ensembles sei allerdings noch ausbaufähig, räumt die Theaterfrau, die vorher am Residenztheater München das "Junge Resi" aufbaute, ein. "Es ist aber ebenso wichtig, dass wir andere Communities als unser zukünftiges Publikum ansprechen." Die Arbeit des Burgtheaterstudios mit 16 Kooperationsschulen sei in dieser Hinsicht besonders wertvoll. "Viele haben hier ihren Erstkontakt mit dem Theater. Für die bleibt es nicht bei einem Mal. Insofern leistet das Burgtheaterstudio viel für die Öffnung des Hauses. Aber es ist ein Prozess, der dauert."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Dschabber" von Marcus Youssef, Österreichische Erstaufführung im Burgtheater-Vestibül, Regie: Anja Sczilinski, Bühne: Peter N. Schultze, Kostüme: Lili Wanner, Musik: Kilian Unger, Mit Dunja Sowinetz und dem Studioensemble: Miriam Bahri, Lukas Coleselli, Jihen Djemai, Kevin Koller, Emilia Mihellyes, Anna Sebök, Niklas Schrade, Johanna Singer und Marc Stadler, Premiere: 8. April, 19 Uhr. Nächste Vorstellungen: 10., 22. April. Ab 13 Jahren. Karten: 01 / 513 1 513, www.burgtheater.at)