Carinthischer Sommer: Gänsehaut mit Schubert und Lavant

Georg Nigl und Birgit Minichmayr vor Olga Pashchenko am Hammerflügel
Der Sehnsucht und dem Abschiednehmen war der Donnerstagabend beim Carinthischen Sommer gewidmet. Den Gleichklang von Poesie und Musik in Franz Schuberts Liederzyklus "Schwanengesang" ergänzten die schwermütigen Texte der Kärntner Lyrikerin Christine Lavant, an deren 50. Todestag heuer erinnert wird. Mit den Worten der Dichterin interpretierte Birgit Minichmayr Gedanken "voll dunklem Übermut".

"Ich bin eine Seele vor dem Erlöschen", schreibt einmal Christine Lavant, deren "herzwarme Briefe" an ihre Lebensliebe, den Maler Werner Berg, kürzlich erschienen sind. "Die ganze Welt der Schmerzen muss ich tragen", heißt es auch in Heinrich Heines Gedicht "Der Atlas", das in der Vertonung von Schubert Teil des "Schwanengesang" (D 957) ist, der 1829, ein Jahr nach dem Tod des Komponisten, veröffentlicht wurde. Lange galt Bariton Georg Nigl als Spezialist für Barock oder zeitgenössische Musik. Jetzt eignet er sich offenbar zunehmend auch das romantische Programm an. In Kombination mit Olga Pashchenko am Hammerflügel ein absoluter Glücksfall!

Selten hat man die dunklen Seiten in Schuberts Liederzyklus so tief ausgelotet gehört. Der leise, dumpfe, spröde, in forcierter Gangart mitunter knarzende Klang des Klaviers untermalt ungeheuer atmosphärisch die düsteren Lieder. Selbst noch in der berühmten "Taubenpost", in der vordergründig beschwingt die Liebesbotin besungen wird, verstärkt das Instrument noch diesen prekär schmerzlichen Unterton.

Nigl verzichtet auf jede Art von Pathos oder Attitüde. Im kragenlosen Hemd mit hochgeschlagenen Ärmeln zieht er das Publikum in der glutheißen Stiftskirche Ossiach in seinen Bann. Als "Singen ohne Geschmacksverstärker" hat das ein Kritiker einmal treffend beschrieben. Zuerst die Lieder nach Texten von Ludwig Rellstab, mal scheinbar leichter ("Liebesbotschaft"), mal donnernd schwer ("Kriegers Ahnung"). Herausragend ist hier die Interpretation von "In der Ferne" vom abgewiesenen Liebenden: "Wehe dem Flehenden/ Welt hinaus ziehenden..." Sehr langsam, mit gedehnten Pausen zwischen den Strophen, lässt Nigl die substantivierten Eigenschaftsworte, die heute so gern zum Gendern verwendet werden, einwirken.

In den von Schubert vertonten Heine-Gedichten legt das "Dreamteam" noch einen Zahn zu. Bei "Ihr Bild" rinnt schon der Schweiß, oder sind es die Tränen? "Und wie von Wehmutstränen/ Erglänzte ihr Augenpaar..." Wie ein Faustschlag trifft einen schließlich der berühmte "Doppelgänger", in dem es den Liebenden regelrecht zerreißt. So wie Minichmayrs ruhige, kraftvolle Rezitation ist auch diese nackte, unverstellte Interpretation von Nigl so eindringlich, dass im Publikum atemlose Stille herrscht. Gut, dass dieser herausragende Abend von Ö1 aufgezeichnet wurde.

(Von Karin Waldner-Petutschnig/APA)

(S E R V I C E - www.carinthischersommer.at , bis 4. August 2024)

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