Casinos und Lotterien werben laut Konkurrenz zu viel
Die Werbung des Casinos-Austria-Konzerns, zu dem auch die Lotterien und die lukrative Online-Plattform win2day gehören, ist den Konkurrenten schon lange ein Dorn im Auge. Immer wieder warten sie mit Gutachten auf, die die Unionsrechtswidrigkeit der aus ihrer Sicht überschießenden Werbung - und damit die Inkohärenz der österreichischen Glücksspielregeln - belegen sollen. Laut Glücksspielgesetz (GSpG) darf in Österreich einzig die Seite win2day Online-Glücksspiel anbieten. Es gibt aber zahlreiche andere Plattformen, die neben Sportwetten auch Glücksspiele offerieren. Sie agieren rechtlich in einer Grauzone, berufen sich auf die Dienstleistungsfreiheit der EU: Wenn sie in einem EU-Staat - meist Malta, dort ist es günstig - eine Lizenz haben, dürften sie ihre Dienste in jedem anderen Mitgliedsstaat auch anbieten. Während alle österreichischen Höchstgerichte seit dem Jahr 2016 die Kohärenz und Unionsrechtskonformität des mehrmals novellierten GSpG bejaht haben, gibt es zahlreiche Juristen aus dem In- und Ausland, die das nicht so sehen.
Die Studie des Publizistik-Professors Jörg Matthes und weiteren Forscherinnen von der Universität Wien befasste sich mit der Wirkung der Casinos-Austria/Lotterien-Werbung auf Konsumenten von 2009 bis 2017. Eine Nachfolgestudie untersuchte den Zeitraum 2018/19. Die Analysen zeigten, "dass alle Werbewirkungen auf Einstellungen und die Spielintention unabhängig vom Spielverhalten der Rezipient/innen auftreten", heißt es in der Expertise, die der APA vorliegt. Die Werbung für Lotto, Casinos und Co. wirke auf "seltene oder regelmäßige Spieler im Vergleich mit jenen, die nicht spielen, auf die gleiche Art und Weise". Es würden also auch Nichtspieler zum Glücksspiel gelockt.
Zwei durch die Werbung geschaffene Anreize wirkten besonders stark: die Werbetypen "Glücksspiel macht zufrieden" und "Glücksspiel macht reich". "Allgemein kann gesagt werden, dass die Darstellung von Reichtum und die Darstellung der Wunscherfüllung beim Rezipienten/bei der Rezipientin den Wunsch auslösen, an Glücksspiel teilzunehmen", so die Autoren in der älteren der beiden Studien. Durch die Glücksspielwerbung würden "auch potentielle Neukunden ... angezogen, was eine Erweiterung des Kundenkreises nach sich ziehen könnte." Daran hat sich in jüngster Zeit nichts geändert: "Durch die Kommunikation von 'Glücksspiel macht Spaß, zufrieden, reich und hilft der Gesellschaft' wird aktuell noch immer durch Werbung ein klarer Anreiz zum Glücksspiel geschaffen", so das Fazit in der Update-Studie für den Zeitraum 2018/19.
Dass dies rechtlich von Bedeutung ist, zeigt ein weiteres juristisches Gutachten der Ludwig-Maximilians-Universität München ebenfalls im Auftrag der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG). Den deutschen Gutachtern zufolge sind die von der Uni Wien untersuchten Werbestrategien im Hinblick auf die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) höchst problematisch. Letztlich verstießen alle, vor allem aber der Typus "Glücksspiel macht reich", "gegen die vom EuGH als absolut verpönt herausgearbeiteten Elemente der Glücksspielwerbung, insbesondere gegen das Verharmlosungsverbot und das Verbot, in verführerischer Weise bedeutende Gewinne in Aussicht zu stellen." Der einzig legitime Zweck von Glücksspielwerbung des Monopolisten wäre, das Zocken in legale Bahnen zu lenken. "Vielmehr zielt die Werbung nachweislich darauf ab, auch Neukunden anzulocken, was auch gelingt", schreiben Rudolf Streinz und Walther Michl in ihrer Expertise. Die Werbestrategie von Casinos Austria und Lotterien missachte die Vorgaben des EuGH "in vielfältiger Weise".
Auch an der österreichischen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Glücksspiel lassen die deutschen Juristen kein gutes Haar. Der von hiesigen Höchstgerichten verfolgte Ansatz, wonach bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Glücksspielwerbung auf die "gesamthafte Würdigung aller Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt" abzustellen sei, sei nicht mit der Auffassung des EuGH vereinbar. Das sahen in der Vergangenheit auch mehrere Unterinstanzen (Landesverwaltungsgericht, LVwG) in Österreich so und legten das Thema dem EuGH vor, wie die Gutachter in Erinnerung rufen. Aktuell liegt - zum zweiten Mal - der Fall "Fluctus und Fluentum" beim EuGH, vorgelegt vom LVwG Steiermark. In der Rechtssache C-920/19 geht es um die Werbepraktiken des Konzessionsinhabers und die Kohärenz der österreichischen Monopolregelung.
Die Gutachter nehmen auch die heimische Politik in die Pflicht: "Statt zu dulden, dass die Glücksspielmonopolisten Werbung in einer Weise treiben, die den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung zuwiderläuft, wäre es ... Aufgabe des Staates, ... eine unionsrechtskonforme Regelung zu schaffen und durchzusetzen." Für Exklusivkonzessionäre wie die Casinos Austria und die Lotterien sei es jedenfalls "absolut verpönt", das Glücksspiel zu verharmlosen - "dagegen hilft auch nicht der kleingedruckte Hinweis, dass es süchtig machen kann". Ebenso sei es verboten, dem Glücksspiel ein positives Image zu verleihen und in verführerischer Weise bedeutende Gewinne in Aussicht zu stellen. "An diesen Maßstäben ist die Praxis der Glücksspielwerbung in Österreich zu messen", konstatieren die Juristen.
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