Chelsea Wolfes Songs konnten in Wien "wachsen und aufblühen"
Die 40-jährige Sängerin ist derzeit mit ihrem im Frühjahr erschienenen Album "She Reaches Out to She Reaches Out to She" unterwegs. Ein Neuanfang in vielerlei Hinsicht: 2021 hat Wolfe dem Alkohol abgeschworen, auch Label und Management wurden seit dem reduzierten Vorgänger "Birth of Violence" (2019) getauscht. "Ich konnte die Pandemie nutzen, um verschiedene Dinge zu reflektieren", verriet sie im APA-Interview. "Dass ich nüchtern geworden bin, hat diese Songs eigentlich erst ermöglicht. Ich konnte vieles mit neuen Augen sehen. Das spürt man."
Stimmt. Lieder wie das berührende, sich aus meditativer Ruhe erhebende "Dusk" oder "Whispers in the Echo Chamber", das Album wie Konzert eröffnete, wirken zwar wie eine Zusammenfassung ihrer bisherigen Karriere. Aber es sind die Feinheiten, die Details, die Wolfe mit ihren Weggefährten wie Ben Chisholm verändert hat. Rock und Metal stehen hier Electronic und Trip-Hop gegenüber, allen voran aber ist das Songwriting noch eine Spur präziser geworden und überzeugt Wolfe mit einer Stimme, die reifer und deutlich präsenter wirkt als zuvor. "Sie hat sich mit dem Alter natürlich verändert. Gleichzeitig vertraue ich jetzt mehr auf meine Stimme, ich bin selbstbewusster geworden und habe sie stärker in Zentrum gerückt."
Das wurde auch live deutlich: Flankiert von drei Kollegen an Synth, Gitarre und Drums, gab Wolfe das dunkle Epizentrum einer Show, die zwischen den Extremen pendelte: Mal mächtige Soundwände auffahrend wie in "16 Psyche", konnte man an anderer Stelle beinahe eine Stecknadel fallen hören, so sehr fuhr Wolfe die Klänge zurück und hing das Publikum an ihren Lippen. Sympathiepunkte sammelte sie, als das variantenreiche "After the Fall" nach einem kleinen Problem kurzerhand neu gestartet wurde - wenn schon, dann richtig. Und garniert wurde all das mit nie überbordenden Lichteffekten, die aber in den richtigen Momenten große Wirkung erzeugten.
Letztlich sei die neue Platte "wie ein Leitfaden für mich", gestand Wolfe ein. "Deshalb auch dieser Titel. Es ist, als ob eine künftige Version meiner selbst mir diese Stücke geschenkt hat, um mich auf meinem Weg weiterzubringen." Auch deshalb sei ein neues professionelles Umfeld notwendig geworden. "Das war zunächst ein sehr schwieriger Schritt", sprach sie den Bruch mit ihrem Stammlabel Sargent House an, "aber letztlich habe ich diesen Kampf gewonnen. Es war die richtige Entscheidung. Ich wollte wachsen und aufblühen - und genau das mache ich jetzt."
Ihr dabei zuzuschauen und zuzuhören, ist ziemlich beeindruckend. Denn egal, ob die Musikerin nun alleine, nur mit der Akustikgitarre bewaffnet, das Konzertende bestreitet und "The Liminal" in unterschiedlichsten Farben strahlen lässt oder sich auf ihre Kollegen verlässt, um aufzugehen in einem ohrenbetäubenden Dröhnen, alles hat Platz bei ihr und wurde von den Fans gefeiert. Was im Übrigen auch für die isländische Vorgruppe Kaelan Mikla galt, fand doch deren Mix aus synthetischen Gothic-Sounds und Waldelfenästhetik viel Zuspruch.
Welchen Stellenwert Wolfe mittlerweile hat, zeigen auch die diversen Kollaborationen der vergangenen Jahre. Mit den Szenehelden Converge spielte sie das Album "Bloodmoon: I" ein, am Soundtrack zum höchst erfolgreichen Horrorstreifen "X" arbeitete sie mit, und mit Drummerin Jess Gowrie knüppelte sie sich als Mrs. Piss durch wütende Rocksongs. "Diese Projekte helfen mir, meine eigenen Regeln zu brechen. Warum auch immer, mache ich mir oft selbst das Leben schwer", lachte sie. "Aber solche Kollaborationen verhelfen mir zu einer größeren Verspieltheit, die ich dann rückübersetzen kann." Schön, wenn sich die Dinge gegenseitig so befruchten.
(Von Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - https://chelseawolfe.com)
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