APA - Austria Presse Agentur

Christoph Grissemann wirft die "Thomas Bernhard Machine" an

Hammerhart und unerbittlich oder spielerisch und leger - die "Thomas Bernhard Machine", die Christoph Grissemann gestern, Dienstag, im Wiener Rabenhof erstmals angeworfen hat, kennt zwei Gangarten. Die Musiker Manfred Engelmayr (E-Gitarre und andere Instrumente) und David Reumüller (Schlagzeug) unterlegten die Mischung aus Lesung und Performance mit einem düster-wuchtigen Klangteppich, der dem 1989 verstorbenen Autor ausgebreitet wurde.

Literatur kann rocken. Das beweist seit Jahren auch Philipp Hochmair mit seiner "Jedermann (reloaded)"-Version mit der Elektrohand Gottes, zu der sich in Kürze ein Remix mit Kurt Razelli gesellt. Grissemann gestaltet seinen Auftritt deutlich statischer und weniger schweißtreibend. Am Lesetisch widmet er sich zunächst ausführlich der lange vergeblichen Sputum-Produktion des in der Lungenheilanstalt liegenden jungen Thomas Bernhard, die schließlich erfolgreich ist und in der Frohlockung gipfelt: "Endlich positiv!" - "Der Atem - Eine Entscheidung" (nicht nur für Einsteiger sehr empfehlenswert ist die Graphic-Novel-Version von Lukas Kummer, die im Herbst erschienen ist) bildet das immer wiederkehrende Gerüst der Lesung, in der man auch Betrachtungen über das "Kindheitsloch", über Selbstmord oder über grundsätzlich verbrecherische Landbewohner vorgesetzt bekommt. Literatur als schwarze Messe.

Doch es gibt auch den anderen Thomas Bernhard, und mehrfach an diesem einstündigen Abend wechselt Christoph Grissemann zu ihm, in den Mallorca-Lehnsessel. Dort bildet nicht sinistrer Rock, sondern fröhliches Strandleben und Wellenrauschen die Geräuschkulisse. Dort nippt der entspannte Dichter gelegentlich am Cocktail und plaudert mit seinem Gegenüber präpotent und provokativ ("Verstehen Sie das, oder sind Sie zu blöd dafür?") über Lachphilosophen, sich Anpinkeln bei der Beichte, Sex, Fischsuppe und Frittatensuppe, Mordgelüste und den Unsinn von Naturbeschreibungen. Es sind Ausschnitte der legendären Mallorca-Monologe, bei denen Krista Fleischmann mehr Stichwortgeberin als Gesprächspartnerin war, die Grissemann in lässiger Pose zum Besten gibt und dabei im legeren, leicht dialektalen Tonfall dem Original erstaunlich nahe kommt.

Bald hat man das Prinzip kapiert, doch ehe man sich nach einer Rhythmusänderung oder neuen dramaturgischen Einfällen sehnt, wird die "Thomas Bernhard Machine" wieder abgestellt. Besser so als im Leerlauf weiterzumachen. Nur noch eine letzte Botschaft an den "Menschenunrat", ehe er wieder nach Hause aufbricht: "Alles ist bösartig." In Zeiten wie diesen, ist man leider versucht, den großen Misanthropen mit dieser Einschätzung nicht als Übertreibungskünstler, sondern als Realisten einzustufen.

(S E R V I C E - "Thomas Bernhard Machine" von und mit Christoph Grissemann, Manfred Engelmayr und David Reumüller, Rabenhof, Wien 3, Rabengasse 3. Weitere Termine: 6. März, 25. Mai. Karten: 01 / 712 82 82, www.rabenhof.at)