APA - Austria Presse Agentur

Christoph Ransmayr: Künstlerische Buchpräsentation in Wien

"Unter einem Zuckerhimmel" heißt das neue Buch von Christoph Ransmayr, das in dieser Woche erscheint.

Der zwölfte Band seiner losen Reihe "Spielformen des Erzählens" enthält nicht nur Balladen und Gedichte des österreichischen Autors, sondern auch Aquarelle von Anselm Kiefer. Diese werden am Donnerstag (1.12.) im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses als große Projektionen Ransmayrs Lesung ebenso begleiten wie eigens geschriebene Gitarrenmusik von Wolfgang Muthspiel.

"Ich kenne Anselm Kiefer schon lange - zunächst nur als Begeisterter seiner Malerei, seit mehr als zwanzig Jahren auch als Freund, der seinen großen Ausstellungen nachreist", erzählt Ransmayr im Gespräch mit der APA. Für eine Ausstellung in Basel bat ihn Kiefer um einen Text - es wurde ein eigenes Büchlein, die Reportage einer Reise zu dem Refugium des Malers in einer stillgelegten Seidenfabrik in Südfrankreich. "Der Ungeborene oder Die Himmelsareale des Anselm Kiefer" erschien 2002. Der Kontakt riss nie ab. Sogar ein bloß an "Christoph Ransmayr - Irland" adressierter Brief erreichte sein Ziel.

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"Ich war unglaublich überrascht und sehr glücklich!"

"Immer wenn er danach gefragt hat, hab ich ihm geschickt, woran ich gerade geschrieben habe. So auch diesmal. Ich hatte mich schon immer mit dem rhythmischen Erzählen beschäftigt und habe nun eine Reihe von Balladen und Gedichten geschrieben, die ich ihm in ein Kuvert gesteckt habe. Zwei Monate habe ich nichts von ihm gehört. Dann kamen plötzlich zwei Schachteln mit Aquarellen. Ich wusste von nichts! Ich war unglaublich überrascht und sehr glücklich." Der Maler überließ ihm die Blätter zur freien Nutzung. So wurden sie Teil des Buches.

Die insgesamt 128 Arbeiten zeigen einen ungewohnten Anselm Kiefer. Der 77-Jährige, der mit seinen mächtigen Auseinandersetzungen zur deutschen Geschichte und ihren Mythen, deren Größe und Materialität den Betrachter mitunter förmlich erschlägt, weltbekannt wurde, zeigt sich hier im kleinen Format von ungewohnter Filigranität und Farbigkeit. "In jedem Aquarell stehen Zitate aus meinen Texten", sagt Ransmayr. Und nicht selten auch der Name des Autors - allerdings in allen Variationen. "Anselm darf das", lacht Ransmayr, als er darauf angesprochen wird. "Er eignet sich das an und macht es zum Teil seiner Arbeit. Außerdem gibt's ja wirklich zu kaum einem anderen Namen so viele Schreibweisen wie zu meinem." Die Großzügigkeit, die er von seinem Freund erfährt, gibt er gerne zurück. Er habe im Laufe der Zeit einige wunderbare Originale geschenkt bekommen, die er sorgsam hüte. "Niemals würde ich ein Werk von Anselm verkaufen. Und dafür hätte er wohl auch kein Verständnis."

So sehr sich Ransmayr auf den gemeinsamen literarisch-musikalischen Abend mit Wolfgang Muthspiel freut, so wenig werde es zu den nun geschriebenen Balladen in den "Spielformen des Erzählens" (die im übrigen "keinem Plan folgen") auch Songtexte geben, versichert der Autor. Das sei nun gar nicht sein Metier. Inhaltlich wandert er in dem neuen Band aber durchaus auf alten Spuren. Der Autor von "Die letzte Welt" (1988), der wandernd Geschichte und Gegenwart verbindet, ist in vielen der neuen Texte zu spüren, aber auch der Schöpfer düsterer Zukunftsvisionen wie "Morbus Kithahara" (1995) oder "Der Fallmeister" (2021). "Vielen gelte ich wegen dieser Bücher als Düsterling, Schwarzmaler, Apokalyptiker - das stimmt aber überhaupt nicht", wendet er ein. "Wenn überhaupt bin ich ein Apokalyptiker, der das Leben preist. Ich weise auf die Kostbarkeit des Lebens hin!"

Verständnis für Aktionen von KlimaaktivistInnen

Das zeichne auch seine Haltung gegenüber der drohenden Klima-Katastrophe aus, sagt der Autor, der sich zum Studium der Natur im Kleinen wie im Großen mit dem entsprechenden Instrumentarium ausgestattet hat: mit Mikroskopen und Teleskopen ("Genauer gesagt, mit vier Sternen- und zwei Sonnenteleskopen in einem kleinen Observatorium."). "Die Möglichkeit von organischem Leben ist nur eine winzige Spanne in der 'Lebenszeit' eines Planeten. Unsere Zeit ist also ohnedies schon begrenzt. Umso wertvoller sollte sie uns sein. Die wahre Apokalypse ist, dass nun schon zum 27. Mal (bei der kürzlich zu Ende gegangenen COP 27, Anm.) unendlich viel geredet wurde und wieder gar nichts herausgekommen ist." Deshalb habe er auch Verständnis für die zuletzt viel diskutierten Klebe- und Schüttaktionen junger Leute in Museen. "Strategisch halte ich die Wahl der Ziele allerdings für falsch. Dabei werden nicht die getroffen, die für den Zustand der Welt und das Nichtstun verantwortlich sind."

Immer schon war Christoph Ransmayr ein großer Reisender mit halb-nomadischer Lebensweise. Sein Radius habe sich klima- und altersbedingt mittlerweile etwas eingeschränkt, erzählt der 68-Jährige. Seine großen, früheren Reisen "halte ich mir gegenwärtig", aber seiner "Begeisterung für das Rätselhafte" könne er auch in Europa nachgehen. Immer wieder fahre er etwa auf den Peloponnes. Dort versuche er seit langem, möglichst viele der in alten Schriften geschilderten Eingänge in den Hades geografisch zu verorten. "19 Eingänge in die Unterwelt habe ich schon gefunden", freut er sich.

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Die Neugierde teilt er auch mit seinem Freund Anton Zeilinger ("Am Traunsee fast mein Nachbar"). Seit langem haben die Beiden einen weiteren Band in den "Spielarten des Erzählens" lose verabredet: ein Gespräch mit dem Arbeitstitel "Lichtjahre". "Immer, wenn wir einander sehen, erinnert er mich daran, und sagt dazu: Vergiss aber nicht, dass es dabei um Distanz und nicht um Zeit geht." In Kürze bekommt sein Freund den Nobelpreis. Auch Christoph Ransmayr wird von Wettbüros immer wieder als Nobelpreiskandidat gehandelt. Erschrocken wehrt er diese Vorstellung ab: "Das Bedrohliche an solchen Auszeichnungen ist, dass man plötzlich so viele Feinde hat. Da rückt sofort eine Armee von Giftsoldaten an und schießt sich auf dich ein. Nein, daran habe ich kein Interesse."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)