APA - Austria Presse Agentur

Comicautor Kleist zeigt den "gebrochenen Superhelden" Bowie

In den nächsten Tagen kommt man an David Bowie nicht vorbei: Nicht nur erscheint am 7. Jänner das lange verloren geglaubte "Toy" Album, zudem jährt sich einen Tag später der Geburtstag der 2016 verstorbenen Poplegende zum 75. Mal. Und: Vor 50 Jahren erschien sein ikonisches Album "The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars". Da passt es natürlich, dass der deutsche Comiczeichner Reinhard Kleist diese Phase in seinem neuen Band "Starman" verewigt hat.

APA: Sie haben bereits zu Johnny Cash und Nick Cave Comicbiografien verfasst. Wie kamen Sie zu David Bowie?

Reinhard Kleist: Nach dem Cave-Buch hatte ich total Lust, wieder einen Musiker zu machen. Nach ersten Überlegungen hatte ich drei zur Auswahl: Patti Smith, Iggy Pop und eben David Bowie. Ich wollte einfach verschiedene Meinungen einsammeln und habe auch Nick Cave gefragt. Er meinte nur: Nimm auf jeden Fall David Bowie, weil der ist so lustig zu zeichnen. Das war dann einer der Auslöser für mich.

APA: Bowie war immer ein enorm visueller Künstler mit seinen verschiedenen Bühnenpersönlichkeiten. War das auch ein besonderer Reiz für Sie?

Kleist: Auf jeden Fall. Anfangs hatte ich ein bisschen Angst vor der Ziggy-Stardust-Phase, weil sie visuell so überbordend ist und mir sofort klar war, dass es farbig sein muss. Bisher habe ich fast immer schwarz-weiß gearbeitet und wenn farbig, dann nur mit einem sehr begrenzten Spektrum. Also war das eine ziemliche Herausforderung für mich. Ich brauchte also jemanden, der mich unterstützt. Die Wahl fiel auf Thomas Gilke, was ein Glücksfall war. Er hat so tief in den Farbtopf gegriffen, das hätte ich mich niemals getraut! Es war aber genau das, was Bowie braucht.

Eigentlich wollte ich auch einen längeren Zeitraum behandeln. Gemeinsam mit dem Verlag habe ich aber entschieden, dass das Buch doch 2022 da sein sollte - einerseits ist da Bowies 75. Geburtstag, andererseits 50 Jahre Ziggy Stardust. Ich habe schnell gemerkt, dass ich das nicht schaffe, wenn ich eine richtig gute Arbeit abliefern möchte. Also kam mir die Idee, zwei Teile daraus zu machen. Und am zweiten Teil arbeite ich jetzt gerade. Der wird die Berlin-Zeit umfassen.

APA: Angesichts eines so reichhaltigen Künstlerlebens, wie es Bowie geführt hat, muss man bei einem Projekt wie Ihrem wohl zwangsläufig auswählen, zuspitzen und reduzieren. Wie sind Sie da vorgegangen?

Kleist: Man verzweifelt ja fast, wie viel der Kerl in einem Jahr hingekriegt hat - obwohl er auch noch ausgiebig gefeiert hat! (lacht) Eine Reduktion war jedenfalls nötig. Ich habe mich hauptsächlich auf die Bowie-Biografie von Marc Spitz gestützt, dazu noch ein paar andere Bücher sowie Fernsehbeiträge, Interviews und Dokumentationen genutzt. Schnell war mir klar, dass ich zwischen den Zeitebenen hin und her springen will. Gleichzeitig wollte ich die Geschichte des "Ziggy Stardust"-Albums erzählen sowie die Tour dazu als Rahmenhandlung verwenden. Da hat ja die Entwicklung stattgefunden: von einem unbekannten Musiker zu dieser riesigen Figur, die dann plötzlich nicht mehr David Bowie war, sondern nur noch Ziggy Stardust, von der er sich emanzipieren musste.

APA: Was sind Sie die zentralen Elemente dieser Zeit?

Kleist: Einerseits wäre da die Geschichte hinter dem Album, diese Geschichte einer gescheiterten Mission. Das taucht ja bei Bowie immer wieder auf, wenn man sich das anschaut: Bei Ziggy Stardust, bei Major Tom oder im Film "Der Mann, der vom Himmel fiel", gibt es dieses Motiv. Das habe ich in Verbindung gesetzt mit der Rolle des Rockstars an sich. Und dann gibt es andere Punkte, die dem zuspielen, etwa die Rolle seines Managements. Das ist ja ein Husarenstück, das Tony Devfies da hingelegt hat, was auch sehr viel erzählt über das Rockbusiness.

APA: Wie begegnen Sie der Herausforderung, Musik in Bilder zu fassen?

Kleist: Es ist natürlich ein Manko des Comics, das kein Sound dabei ist. Aber ich versuche, dieses Manko auszunutzen. Ich habe schon bei Cash überlegt, wie ich die Musik visualisieren kann. Einerseits geht das durch illustrierte Songs, dass ich also die Lyrics in Kurzgeschichten umwandle. Da spielen mir Musiker wie Johnny Cash oder Nick Cave natürlich in die Hände, weil das auch Storyteller sind. Bei Bowie ist das schwieriger, läuft doch viel assoziativ ab. Das gibt mir wiederum mehr Freiheiten, wie ich meine Interpretationen gestalte. Letztlich wollte ich aber auch, dass der Leser die Musik durch die Bilder fühlen kann.

APA: Wie gehen Sie den zweiten Teil zu den Berliner Jahren an?

Kleist: Ich glaube, dass beide Teile einzeln für einander stehen werden können. Nach "Starman" ist ein gewisser Bogen schon zu Ende. Und es wird sicherlich noch zwei Jahre dauern, bis der zweite Teil kommt. Mir macht es gerade viel Spaß, an dieser Geschichte zu schreiben, die deutlich ruhiger sein wird. In den ersten Teil musste ich doch ziemlich viel reinpacken und konnte manchmal Sachen nur anschneiden. Jetzt habe ich mehr Ruhe, um Situationen auszukosten oder Geschichtsbögen zu Ende zu bringen. Ich würde auch gerne zeigen, wie Bowie einfach im Cafe sitzt und Zeitung liest oder sich ein Fahrrad kauft und durch Berlin radelt.

APA: In "Starman" erscheint Bowie jedenfalls eher wie ein Superheld, ist diese Figur des Ziggy Stardust doch beinahe übermächtig - und wird quasi letztlich zum Bösewicht, den Bowie überwinden muss...

Kleist: Ja, er hat fast etwas von einem gebrochenen Superhelden mit dieser dunklen Seite. Ich habe schon vor einiger Zeit überlegt, warum eigentlich niemand auf die Idee gekommen ist, aus Ziggy eine Comicfigur zu machen, die eigene Abenteuer erlebt. Das bietet sich so dermaßen an! Vielleicht hätte ich das auch selber machen können. (lacht)

(S E R V I C E - Reinhard Kleist: "Starman - David Bowie's Ziggy Stardust Years", Carlsen, 176 Seiten, 25,70 Euro; Reinhard Kleist präsentiert seinen Comic am 13. Jänner um 19.00 im Literaturhaus Wien)