APA - Austria Presse Agentur

Corona: Die dreistufige Viren-Variantenjagd

Die Suche nach der neuen britischen SARS-CoV-2-Variante "B.1.1.7" und anderen Varianten läuft in Österreich in einem Forschungsverbund dreistufig ab.

Zuerst wird in einem angepassten PCR-Verfahren nach einer der gemeinsam auftretenden Mutationen gesucht, außerdem scannt seit kurzem ein Wiener Team das rund 2.000 Basen umfassende Erbgut des Spike-Proteins im Hochdurchsatz ab. Mit der Analyse der gesamten Viren-RNA (rund 30.000 Basen) erfolgt die detaillierte Aufklärung. Die massive Aufstockung der Anstrengungen zum laufenden Nachweis der infektiöseren neuen Viren-Varianten aus Großbritannien und Südafrika wurde in den vergangenen Woche mehrfach politisch hervorgehoben und angerissen. Ein Forschungsverbund um die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), das Team um Andreas Bergthaler vom Forschungsinstitut für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und nun auch eine Gruppe um Forscher vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW und dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) setzt das um.

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Gezielte Suche nach B.1.1.7-Mutationen

Bisher wurden die Verdachtsfälle mittels eines angepassten PCR-Verfahrens identifiziert. Bei diesen gezielten PCR-Tests ist das Ergebnis in rund drei Stunden da. Diese Herangehensweise wurde seit kurzem bundesweit ausgeweitet. Gesucht wird hier bereits an mehreren Stellen österreichweit nach bestimmten Mutationen in der insgesamt markante 17 Veränderungen umfassenden britischen B.1.1.7-Variante - der "delta 69/70"- oder der "N501y"-Mutation, die sich im Spike-Protein befindet. Mit dieser Struktur dockt der Erreger an menschliche Zellen an und dringt in sie ein.

Auf die Gesamtheit der genetischen Bauanleitung der Spike-Domäne konzentriert sich seit kurzem ein Team um Ulrich Elling vom IMBA und Luisa Cochella vom IMP in Wien. In Kooperation hatte man auf Basis moderner Genanalyse-Technologien bereits die "SARSeq"-Methode entwickelt. Mittels "Next Generation Sequencing" (NGS) können seit dem Herbst Erbgutinformationen in großen Mengen auf das SARS-CoV-2-Virus untersucht werden. Das dauert rund 24 Stunden.

Wichtigste Veränderungen im Spike-Protein

Die medizinisch und pandemisch wichtigsten, jedoch nicht alle der mindestens 17 Veränderungen, die die neuen, sich ausbreitenden Varianten ausmachen, finden sich im Spike-Protein, "dem Enterhaken von SARS-CoV2", sagte Elling zur APA. Daher baute das Forscherteam seine zuerst zur Virendetektion aufgebaute Infrastruktur nun rasch dahin gehend um, ganz gezielt Variationen in den ungefähr 2.000 Basen der Spike-Domäne in Proben zu untersuchen.

Mit der Methode lassen sich der "Wildtyp" und die neuen Varianten schon eindeutig, wenn auch nicht in allen Veränderungen fassen. Wichtig ist hier, dass das mit der "SARSeq"-Methode "im Hochdurchsatz" funktioniere, so Elling. Das heiße, dass man im Verlauf dieser Woche schon um die 1.000 Proben screenen wird können. In der Folge könnte die Kapazität auf bis zu 5.000 steigen. Die auf NGS basierende Methode zeichne sich neben der Geschwindigkeit auch durch ihren relativ niedrigen Preis aus.

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Zeitnahe Erkennung der "P.1"-Mutationscluster

Neben der Suche nach den neuen Varianten und dem Nachverfolgen von deren Ausbreitung geht es auch darum, weitere Varianten, wie etwa den bisher in Brasilien und Japan detektierten "P.1"-Mutationscluster, möglichst zeitnahe zu erkennen. Die britische Mutation sei sicher nicht das "Ende der Fahnenstange", sagte Elling. Jedes Virus verändert sich unentwegt mit einer bestimmten Rate. Durch die dramatische Zunahme an immunisierten Menschen - sei es durch überstandene Krankheit etwa in Ländern wie Südafrika, Indien oder Brasilien bzw. die Impfung - steigt nun der Sektionsdruck auf das Virus. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass resistentere odere noch infektiösere Formen auftreten könnten.

Beim genauen, genomweiten Analysieren möglichst vieler Veränderungen kommt das Team um Bergthaler ins Spiel, das schon seit Beginn der Pandemie stichprobenartig SARS-CoV-2-Proben in ihrer Erbgut-Gesamtheit aufschlüsselt. Das ist entsprechend aufwendig und dauert in der Regel bis zu sieben Kalendertage - Probenaufbereitung, Analyse und das Durchforsten der Rohdaten mit bioinformatischen Methoden inklusive. Ermöglicht wird damit aber die dritte Stufe der Betrachtung, nämlich jene auf das ganze Virus mit all seinen Mutationen.

So lässt sich über Verwandtschaftsverhältnisse der Viren-Varianten auch deren Verbreitungsweg, ihr wahrscheinlicher Ursprungsort und unter Umständen auch nachskizzieren, wie oft der Import nach Österreich stattgefunden hat. Nicht zuletzt dient die Methode zur finalen Bestätigung, dass die nun gesuchten neuen Varianten tatsächlich vorliegen. Am CeMM will man bald bis zu 400 Proben pro Woche aus dem ganzen Land so behandeln, wie Bergthaler vor wenigen Tagen erklärte.