APA - Austria Presse Agentur

Corona: Intensivstationen überlastet, EU-Ratschef fordert Einheit

Im Kampf gegen die Corona-Krise fordert EU-Ratschef Charles Michel dringend eine gemeinsame Linie der 27 EU-Staaten bei Quarantäneregeln, Tests und Tracing-Apps.

Bisher habe man noch nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt, kritisierte Michel am Dienstag. Jetzt sei entschlossenes Handeln gefordert. Angesichts rapide steigender Corona-Infektionen warnte indes die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer Überlastung der Spitäler vor allem in Europa und Nordamerika. An einigen Orten füllten sich die Intensivstationen schnell. So waren unter anderem in Regionen in Belgien, Großbritannien und Tschechien bereits die Kapazitätsgrenzen erreicht.

In Deutschland mangelt es zwar nicht an Intensivbetten, wohl aber an Pflegepersonal. Das sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Uwe Janssens, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Es gebe inzwischen zwar "ausreichend Kapazitäten an freien Intensivbetten und Beatmungsgeräten". Das allein helfe aber nicht weiter, "wenn wir kein Personal haben, um die Patienten zu versorgen". Hierin liege "das viel größere Problem". Grob geschätzt fehlten bundesweit 3500 bis 4000 Fachkräfte für die Intensivpflege, sagte Janssens.

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Deutlich entspannter ist die Lage in den fünf nordischen Ländern Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island. Ein leitender Arzt sagte, dass weiter genug Platz in den dänischen Krankenhäusern sei.

Michel äußerte sich vor dem für Donnerstag geplanten Corona-Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs äußerst besorgt. "Die Situation eskaliert von besorgniserregend zu alarmierend", schrieb der Ratspräsident in einem Newsletter. "Jetzt müssen wir eine Tragödie verhindern."

Konkret mahnte Michel eine koordinierte Zulassung von sogenannten Antigen-Schnelltests an. Ihre Produktion müsse auf europäischer Ebene strategisch gesichert werden. Denn die bisher hauptsächlich genutzten PCR-Tests benötigten zu viel Aufwand und Laborkapazität.

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Als zweiten Punkt nannte der Ratspräsident eine wirksame Methode zur Rückverfolgung von Infektionen. Dazu müssten sich die EU-Staaten auf einen gemeinsamen Standard für kompatible, sichere und wirksame Tracing-Apps einigen, die auch die Privatsphäre schützen. Zudem seien gemeinsame Regeln für Selbstisolation und Quarantäne nötig.

Darüber hinaus drang Michel auf einen gemeinsamen Ansatz beim Impfen. Einen Impfstoff erwarte man für Ende 2020 oder Anfang 2021, allerdings zunächst nicht für alle. "Wir müssen Chaos unbedingt vermeiden", schrieb der Ratschef. Nötig seien Kriterien für die Verteilung künftiger Impfstoffe in Europa, aber auch in den jeweiligen Ländern an Gruppen, die zuerst drankommen sollen, etwa ältere Menschen oder Gesundheitspersonal. Auch die Logistik für Vergabe und Kühlung der Impfstoffe müsse gelöst werden.

Michel mahnte, Patchwork beim Krisen-Management zu vermeiden. Andernfalls könnten einige EU-Staaten die Pandemie besser überstehen als andere, was die wirtschaftlichen Unterschiede noch verstärken würde, warnte der Ratspräsident. "Der gesunde Menschenverstand gebietet es mehr denn je, dass wir in Europa gemeinsam handeln, durch Einheit und Solidarität."