APA - Austria Presse Agentur

Corona-Krise zeigt Nachholbedarf bei Transparenz und Föderalismus

Der Innsbrucker Organisationsforscher Leonhard Dobusch beschäftigt sich mit den Stärken und Schwächen bürokratischer Strukturen.

Bürokratie garantiere "Stabilität, Präzision und Verlässlichkeit" und habe sich während der Pandemie bewährt, resümierte Dobusch im APA-Gespräch. Dennoch habe die Pandemie Schwachstellen der österreichischen öffentlichen Verwaltung aufgezeigt. Nachholbedarf ortete er vor allem in puncto Transparenz und Föderalismus.

Institutionen, die "für die Bewältigung der Coronakrise zuständig sind, funktionieren im Großen und Ganzen", stellte Dobusch fest, der am Institut für Organisation und Lernen der Leopold-Franzens Universität Innsbruck forscht und lehrt. Dazu beigetragen habe unter anderem die Digitalisierung. In den letzten 20 Jahren habe sich in Österreich viel getan, dass heute etwa Amtswege auf digitalem Wege "relativ einfach" gestaltet seien, habe sich während des Lockdowns bewährt.

"Die Daseinsvorsorge hat sich trotz großem Stress robust gezeigt, allerdings gibt es im Europavergleich auch Länder, bei denen es noch besser funktioniert". Dobusch nannte skandinavische Länder wie Finnland, Norwegen und Dänemark als Vorbilder. Dort habe man sich auf "Modernisierung und Verbesserung staatlicher Strukturen" konzentriert, während in Österreich eine Verwaltungsmodernisierung vorwiegend als "Einsparprogramm" verstanden wurde und wird.

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Gute Bürokratie stärkt Wirtschaft

Und das, obwohl eine "gut geölte bürokratische Maschine Legitimation demokratischer Institutionen und durch schnelle, effiziente Prozesse auch die Wirtschaft stärkt", erklärte Dobusch.

Nicht "wie viele Steuern man zahlt", solle im Fokus der öffentlichen Debatten stehen, forderte Dobusch, "sondern die Frage 'Was bekomme ich dafür?'". Er hoffe auf einen "Paradigmenwechsel", öffentliche Verwaltung solle als "moderner Dienstleister" wahrgenommen werden, anstatt als "verstaubte Black Box".

Momentan ist das schwierig, räumte er ein. "Die Menschen sind angesichts des Impfstoffmangels frustriert". Die Stellen, die als verantwortlich gesehen werden, "kommen schlecht weg", meinte der Experte. Und das, obwohl "sie nur einen Mangel verwalten". Vieles funktioniere gut.

Massentests hätten gezeigt, dass vor allem größere Städte "sehr gut in der Lage waren, binnen kürzester Zeit eine große Zahl an Menschen sowohl zu adressieren und dann auch zu behandeln", meinte Dobusch. Er appellierte, die vorhandenen Teststraßen langfristig in Impfstraßen umzuwandeln. Das System würde funktionieren, doch: "Wenn nichts da ist, kann man auch nichts verimpfen". Da stelle sich also jetzt nicht "die Frage 'Kann man das besser oder schlechter organisieren?'".

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Österreich hinkt bei Transparenz hinterher

Aufholbedarf sah Dobusch indes im Bereich Transparenz. "Dass Österreich hier im internationalen Vergleich hinterherhinkt, ist ein offenes Geheimnis", meinte er und verwies auf den Umstand, dass Österreich als eines der letzten Länder Europas noch über ein Amtsgeheimnis im Verfassungsrang verfüge.

"Transparenz macht nicht nur Handeln nach außen nachvollziehbar", erklärte der Wissenschafter, "sondern wirkt auch nach innen". Mehr Transparenz würde zu "schnellerem, besseren Datenaustausch" führen und "Abstimmung zwischen staatlichen Stellen erleichtern". Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass Länder, die "Strukturen für automatisierten Datenaustausch" etabliert hätten, einen Vorteil in Krisenzeiten hätten.

Darüber hinaus habe die Krise Stärken und Schwächen föderaler Strukturen aufgezeigt. "Dass überregionale Stellen in der Lage sind, regionale Maßnahmen anzuordnen, ist sinnvoll", sagte Dobusch. Denn föderale Strukturen seien dann von Vorteil, wenn es "darauf ankommt, dass spontan vor Ort auf lokale Entwicklungen reagiert wird".

Gleichzeitig brauche es aber immer eine ergänzende, übergeordnete Institution. In diesem Punkt sei Österreich mit der AGES etwa Deutschland mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) oder Ländern aus dem Fernen Osten unterlegen, "die über mehr Erfahrung verfügen und spezialisierte Kompetenzzentren haben, die nicht erst seit der Krise existieren".

In der Vergangenheit habe das Zusammenspiel zwischen Bundes- und Landesebene nicht immer gut funktioniert, beobachtete Dobusch. Die Reisewarnung für Tirol bezeichnete er als "verunglückt". Er sei durchaus der Meinung, dass der Bund "Verantwortung trägt, den lokalen Entscheidungsträgern die Bürde unpopulärer Entscheidungen abzunehmen", stellte Dobusch klar.