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Corona: Starker Infektionsanstieg führt zu Ampel-Hickhack

Der massive Anstieg von Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 in Österreich - vor allem in Wien - hat am Tag vor der nächsten Veröffentlichung der von der Corona-Kommission als Risiko eingeschätzten Bezirke zu einem Corona-Ampel-Hickhack geführt.

Die Bundeshauptstadt etwa forderte die Wiedereinführung von strengeren Maßnahmen. In ganz Österreich gab es die Rekordzunahme von 664 Infektionsfällen.

Die meisten Neuinfektionen wurden erneut in Wien mit 387 Fällen verzeichnet, weshalb der zuständige Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) eine Maßnahmenverschärfung forderte: "Wir brauchen einige Spielregeln wieder." Wien sei jedoch im "juristischen Dilemma", die Vorkehrungen nicht selbst treffen zu können. Er kündigte deshalb ein Gespräch mit dem Bund an.

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Die stark steigenden Coronazahlen in Wien nährten Gerüchte, wonach die Bundeshauptstadt Donnerstagabend auf Orange (hohes Risiko) geschaltet werden könnte. Die starke Zunahme - nicht nur in Wien - wurde auch im Kanzleramt mit Sorge beobachtet. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwarte sich von der Ampel-Kommission "schärfere Maßnahmen", wie es aus seinem Umfeld zur APA hieß. Kurz verwehrt sich demnach gegen ein "Schönrechnen der Zahlen".

Die Wiener FPÖ kann Forderungen nach verstärkten Maßnahmen in der Bundeshauptstadt wenig abgewinnen, wie deren Chef Dominik Nepp betonte. "Jetzt findet offenbar ein Wettstreit zwischen der schwarz-grünen Bundesregierung und der rot-grünen Stadtregierung statt, wer es schafft, den Menschen mehr Angst und Schrecken einzujagen", befand er. Aus dem türkisen Teil der Bundesregierung kamen nämlich angesichts der steigenden Corona-Fälle scharfe Töne Richtung Wien: "Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ, Anm.) muss endlich die Realität akzeptieren", meinte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). "Die Forderung der Stadt Wien für bundesweite Verschärfungen ist richtig und sinnvoll", konterte hingegen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Die steigenden Infektionszahlen seien nicht überraschend. Angesichts des Schulbeginns und des bevorstehenden Herbstes seien verschärfende Maßnahmen - wie etwa Maskenpflicht im Innenraum - im Sinne einer wirksamen Corona-Prävention in ganz Österreich notwendig.

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Die zweithöchste Zunahme gab es mit 94 Fällen in Niederösterreich. Vor allem Wiener Neustadt bereitete bereits in der vergangenen Woche Sorge, wurde von der Kommission allerdings zunächst mit Grün eingestuft. "Auf den ersten Blick ist es tatsächlich nicht nachvollziehbar, warum Wiener Neustadt von der Experten-Kommission nicht auf Gelb gestellt wurde", sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) damals. Am Donnerstag betonte sie, dass sie jegliche Entscheidung diesbezüglich akzeptieren würde.

Derzeit stehen vier Regionen auf Gelb (mittleres Risiko): neben Wien auch Linz, Graz und der Bezirk Kufstein. Tirols LH Günther Platter (ÖVP) geht von einer Ampelschaltung von Grün auf Gelb für die Landeshauptstadt Innsbruck aus - zusätzlich zur derzeit bestehenden für den Bezirk Kufstein. Auch in Graz ging man davon aus, dass die steirische Landeshauptstadt wohl weiterhin Gelb bleiben dürfte. Die Infektionszahlen seien allerdings bereits wieder um rund ein Drittel pro Tag im Vergleich zur Vorwoche zurückgegangen. In Linz wird mit einem Umspringen auf Grün gerechnet. In der Steiermark wurden 31 Neuinfektionen gezählt, in Tirol 64 und in Oberösterreich 50. Im Burgenland gab es 13 positive Tests, in Vorarlberg elf, in Salzburg neun und in Kärnten fünf.

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Laut den Zahlen aus dem Innenministerium (Stand 9.30 Uhr) sind aktuell 4.456 Menschen in Österreich mit SARS-CoV-2 infiziert. 748 Personen sind mit oder an den Folgen des Coronavirus verstorben und 26.043 sind wieder genesen. Auch die Zahl der Menschen, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist innerhalb eines Tages von 197 auf 205 angestiegen. Davon müssen 39 Menschen auf der Intensivstation behandelt werden. Das sind um drei mehr als am Vortag. Bisher gab es in Österreich 31.247 positive Testergebnisse.

Die jüngsten Zahlen mit mehr als 500 täglich nachgewiesenen Neuinfektionen wertet auch die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl als einigermaßen "besorgniserregend". Die Entwicklung der vergangenen sieben Tage weise leider in Richtung "Anstieg". Es brauche angesichts der Zahlen eine verbesserte und raschere Fallidentifikation und Kontaktnachverfolgung, sagte die Forscherin zur APA.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) äußerte sich bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten Donnerstagvormittag eher zurückhaltend zu der morgen veröffentlichten Ampelschaltung. Gefragt, ob er damit rechne, dass weitere Bezirke und Städte auf Gelb und Wien gar auf Orange geschaltet werden, betonte er, er wolle der Kommission nicht vorgreifen. Die Sitzung werde wohl bis tief in den Abend dauern. Aber, so Anschober, noch kurz bevor die aktuellsten Zahlen veröffentlicht wurden: "Ich habe derzeit keine Indizien, dass es in Richtung orange geht." Nach der Kommissionssitzung will Anschober alle Landeshauptleute durchtelefonieren, bei denen es veränderte Ampelschaltungen gibt.

Neben der reinen Zahlenentwicklung wertet die Kommission auch die Übertragbarkeit der Fälle, die Quellensuche (Cluster), Ressourcen der Spitäler und Tests (auch den Anteil der positiven Tests). Was die Städte betrifft, will man laut dem Vorsitzenden der Corona-Kommission, Ulrich Herzog, nun auch berücksichtigen, dass es eine gewisse Mobilität der Bevölkerung ins Umland gebe.

Damit die Corona-Ampel zum Werkzeug werden kann, fehlt noch ihre vollständige gesetzliche Verankerung. Erst mit der Novellierung des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes können alle Regeln aufgrund der vier Farbstufen von grün bis rot rechtlich durchgesetzt werden. Ein Beschluss ist für den 23. September geplant.

Bis dahin soll die Lockerungsverordnung angepasst werden, etwa zur Ausweitung des Mund-Nasen-Schutzes auf alle Geschäfte in gelben Regionen. Sie soll nun endlich am morgigen Freitag vorliegen.