APA - Austria Presse Agentur

Experte warnt: Welle lässt sich momentan nicht "wegtesten"

Angesichts der vertagten Entscheidungen über weitere Maßnahmen zu Eindämmung von Covid-19 sieht der Molekularbiologe Michael Wagner Österreich weiter ein "extrem hohes Risiko" gehen.

Die umfassende Teststrategie sorge zwar momentan dafür, dass die Zahlen nicht explodieren, ein "Wegtesten" der angekommenen dritten Welle funktioniere aber offensichtlich mit den jetzt implementierten Testungen nicht.

Dazu müsste zumindest auch ein gut funktionierendes Contact Tracing durchgeführt werden, was bei derart hohen 7-Tages-Inzidenzen unrealistisch ist. Das zeige auch die Situation an den Schulen, wo ein noch verlässlicherer "PCR-Schutzschirm" kommen sollte.

Für dich ausgesucht

Insgesamt habe der Politik letztlich vermutlich der Glaube daran gefehlt, dass sich die Zahlen tatsächlich gegen eine Sieben-Tages-Inzidenz von 50 und darunter drücken lassen. Aus rein epidemiologischer Sicht sei das unverständlich, sagte Wagner im Gespräch mit der APA, denn schlussendlich drohe sich Österreich damit die Chance auf einen pandemietechnisch deutlich einfacheren Frühling und Sommer zu verbauen und auf den letzten Metern vor breit ausgerollten Impfungen noch sehr viele schwere Erkrankungen und Todesfälle in Kauf zu nehmen.

Noch mangelhafte Datenlage in vielen Bereichen

"Letztlich hofft man darauf, dass man mit dem vermehrten Testen - wo man wirklich gute Schritte gesetzt hat - die Sache unter Kontrolle halten kann", sagte Wagner. Allerdings könne man aufgrund der mangelhaften Datenlage in vielen Bereichen immer noch nicht gesichert sagen, was man mit welcher Strategie und welchem Testverfahren tatsächlich bewirkt, bemängelte der Initiator der SARS-CoV-2-Monitoringstudie an Schulen - vulgo "Gurgelstudie".

So könne man auch nicht final bewerten, ob der Inzidenzvergleich mit etwa Deutschland daran hakt, dass aufgrund des deutlich erhöhten Testaufkommens hierzulande die Dunkelziffer in Österreich weit niedriger ist. Dass allerdings die Anstiege bei den Fallzahlen insgesamt vom vermehrten Testen kämen, könne man ausschließen. "Was wir da sehen, ist die erhöhte Infektiosität von B1.1.7. Das kennen wir auch schon aus anderen Ländern", so Wagner.

An den Schulen, wo – für den Experten glücklicherweise – seit Februar systematisch und verpflichtend getestet wird, wisse man etwa nicht, wie viele der positiv mittels "Nasenbohrertests" identifizierten Kinder in der Folge auch positive PCR-Resultate abliefern. So könne man nur grob schätzen, dass in der mittlerweile leider auch mit sehr hohen Inzidenzen konfrontierten Gruppe der Kinder und Jugendlichen rund ein Drittel der im EMS verzeichneten positiven Fälle ursprünglich durch die anterionasalen Antigen-Schnelltests an Schulen gefunden werde.

Wagner: "Da muss man aber etliche Annahmen machen", da sich diese Zahlen leider nicht wirklich zusammenführen lassen.

Für dich ausgesucht

Tests an Schulen ausweiten

An den Bildungseinrichtungen, deren etwaige Schließungen momentan wieder diskutiert werden, plädiert Wagner dafür, den "Schutzschirm" zu erweitern: Wird ein Kind positiv mittels "Nasenbohrertest" getestet, sollte demnach die gesamte Schulklasse zeitversetzt zwei Mal mittels PCR-"Gurgeltests" nachgetestet werden.

Zumindest in Ballungsräumen sollten die Schulen schrittweise von den Antigentests auf drei Mal in der Woche Gurgeln zu Hause, Poolen und PCR-Testen umstellen. Dann könne man die Schulen auch bei höheren Gesamtzahlen lange offen halten, zeigte sich der Molekularbiologe überzeugt.

Um die nun durch die britische Variante ausgelöste dritte Welle noch abzuflachen, bräuchte es vermutlich leider "massive Maßnahmen. Zu glauben, dass man das jetzt noch mit Testen alleine unter Kontrolle bekommt", sei eher naiv. Auch in anderen Ländern zeigte sich, wie wenig mit halben Lockdowns erreicht werde. "Sowohl in England als auch in Portugal ging es dann am Ende nur mit dem wirklich harten Lockdown", sagte Wagner.

Letztlich räche sich auch, dass Österreich in der Eindämmungsstrategie nicht auf "nüchterne Bestandsaufnahme" und eine klare, nachvollziehbare "Contain Covid"-Strategie gesetzt habe. Wenn man jetzt wieder herginge, und sich stärker an der Überforderung des Gesundheitssystems durch Covid-19-Fälle orientiert, sei man automatisch in einer neuen Welle, bevor wirksame Maßnahmen gesetzt werden, die dann auch wieder viel länger aufrechterhalten werden müssen als wenn man frühzeitig reagiert.