APA - Austria Presse Agentur

Coronakrise verstärkt Stress und Druck in der Arbeit

Zusätzlich zur psychischen Belastung durch die Pandemie herrscht bei vielen seit einigen Monaten deutlich mehr Stress und Druck im Job. Nach dem Wiederanspringen der Wirtschaft ist der Arbeitsaufwand gestiegen, gleichzeitig mangelt es an Personal, wie aus einer Umfrage des Instituts für empirische Sozialforschung (IFES) im Auftrag der Gewerkschaft GPA hervorgeht. Die aktuelle Situation wirke sich negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten aus, mahnte die GPA am Montag.

Davon betroffen seien "praktisch alle Branchen", allen voran aber der Gesundheits- und Pflegebereich. Unabhängig von der Wirtschaftskonjunktur kämen dort zu den ohnehin schon schwierigen Arbeitsbedingungen die zusätzlichen Belastungen als Folge der Pandemie hinzu.

Es bestehe "ein massiver Handlungsbedarf", so die Gewerkschaft. 80 Prozent der Befragten gaben an, dass der Druck auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer größer werde und 35 Prozent zweifelten, ob sie dem Arbeitsdruck, dem sie derzeit ausgesetzt seien, bis zur Pension standhalten könnten. Da "müssen bei allen die Alarmglocken schrillen".

Die Umfrage, die Mitte Oktober unter 800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erfolgte, wurde heute anlässlich der Aktionswoche der GPA zum Thema Arbeitsdruck ("Stress lass nach!") präsentiert.

Es sei "ein bedenklicher Befund, dass die Hälfte der Befragten angibt, dass es in ihrem Unternehmen zu wenig Personal gibt, um die anstehende Arbeit gut bewältigen zu können". Abgänge würden oftmals gar nicht oder nicht rechtzeitig nachbesetzt - viele Arbeitgeber seien unzureichend auf den schon stattfindenden Pensionsantritt der "Babyboomer"-Generation vorbereitet. Zusätzliche Arbeit, Projekte und Tätigkeiten werden der Erhebung zufolge auf immer weniger Arbeitnehmer aufgeteilt. Attraktivere Arbeitsbedingungen - etwa durch mehr Arbeitszeitqualität und höhere Bezahlung ist laut GPA kaum ein Thema.

"Wir müssen rasch gegensteuern oder wir steuern in eine Situation, in der ein großer volkswirtschaftlicher Schaden entsteht", hielt die Gewerkschaft weiters fest. Eine hohe ungewollte Fluktuation führe auch zu wirtschaftlichen Nachteilen für Unternehmen, so die GPA unter Verweis auf eine Deloitte-Studie, in der diesbezüglich von 14.900 Euro pro Arbeitsplatz die Rede sei.

"Maßnahmen für Gesundheitsschutz und Stressprävention sind letztendlich Investitionen, die sich längerfristig rechnen", betonten die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertreter. Hier seien vor allem die Unternehmen aber auch die Politik insgesamt gefordert.

Arbeitgeber seien "gemäß dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz" dazu verpflichtet, Arbeitsplätze regelmäßig zu evaluieren, um eine optimale Jobqualität zu erreichen, erinnerte die Gewerkschaft. Betriebsräte hätten das Recht hier mitzubestimmen. "Wir machen häufig die Erfahrung, dass die Evaluierung folgenlos bleibt", kritisierte die GPA und forderte eine entsprechende Verordnung des Gesetzgebers, damit Maßnahmen auch verbindlich und tatsächlich umgesetzt werden.

Angesichts der zunehmenden psychischen Belastungen im Job müssen laut Gewerkschaft Arbeitspsychologen verpflichtend eingesetzt werden. Und weiters fordert die GPA, "dass in Unternehmen ab fünf Personen jährlich verpflichtend Arbeitszeitbilanzen zu erstellen sind". In diesen sollen die Normalarbeitszeit, die Mehr- und Überstunden, Urlaubsverbrauch und Urlaubsguthaben erfasst werden. Über die Ergebnisse sei mit dem Betriebsrat zu beraten, um danach "verbindliche Maßnahmen abzuleiten". Pro Überstunde müsse ein Euro für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) zweckgewidmet werden, die den Qualitätskriterien des Netzwerk BGF entsprechen. Dieses Netzwerk werde von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) getragen, die dazu auch Beratung, Unterstützung und Förderungen anbiete. Zur Umsetzung der Initiativen sollte eine verbindliche Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, empfiehlt die Gewerkschaft.

Beschäftigte sollten zudem selbst daran denken, auf ihre Rechte zu pochen, erinnerte die Gewerkschaft an Themen wie Urlaubsanspruch, Pausenregelungen und das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit in Ruhephasen.

Den Arbeitsdruck erhöhten aber auch die All-in-Verträge, die im Angestelltenbereich laut Gewerkschaft "stark zunehmen". "All-In-Verträge bedeuten nicht, dass rund um die Uhr gearbeitet werden muss", betonte die Gewerkschaft. Auch bei derartigen Vereinbarungen dürften nicht mehr Arbeitsstunden geleistet werden als gesetzlich erlaubt seien. All-in-Verträge sollten laut GPA "nur noch für Führungskräfte ab einer Entgelthöhe von 5.000 Euro brutto" pro Monat zum Einsatz kommen.

Vom Gesetzgeber wünscht sich die Gewerkschaft mehr Modelle der Arbeitszeitverkürzung mit Rechtsanspruch, etwa für die Altersteilzeit. Der Staat müsse auch dringend mehr Geld für Gesundheit und Pflege und Kindergartenpädagogik zur Verfügung stellen, "als Basis für eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen".