APA - Austria Presse Agentur

Coronavirus-IntensivmedizinerInnen: Kapazitäten nicht "im sicheren Hafen"

Am Wochenende ist die Zahl der Covid-19-Patienten auf österreichischen Intensivstationen zwar zurückgegangen.

Sie sank von 84 Personen am Samstag auf 68 am Sonntag. Dennoch dürfe der Ernst der Lage nicht unterschätzt werden. Die Intensivkapazitäten seien "keineswegs im sicheren Hafen", warnte die Österreichische Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). "Leider ist die Entwicklung, was die Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Österreich betrifft, wieder sehr besorgniserregend. Wir müssen hier auch mit Blick auf die intensivmedizinische Versorgung eine deutliche Warnung aussprechen", betonte ÖGARI-Präsident Klaus Markstaller (MedUni Wien/AKH Wien). "Bildlich gesprochen konnten wir, nach einer Fahrt mit unserem intensivmedizinischen Schiff durch weitgehend unbekannte und gefährliche Gewässer, im Sommer eine erste Entwarnung geben und auf baldige Rückkehr in einen sicheren Hafen hoffen." Bisher sei man nicht in Seenot geraten, die zu Recht gefürchtete Überlastung des Versorgungssystems sei Dank der intensiven und professionellen Vorbereitung in Österreichs Spitälern und der erfolgreichen Eindämmung der Infektionszahlen nicht eingetreten.

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Auswirkung auf Spitalskapazitäten

"Jetzt besteht allerdings wieder eine konkrete Gefahr", warnte Markstaller. "Offenbar besteht bei manchen der Eindruck, die aktuell rapide steigenden Infektionszahlen hätten, anders als vor einigen Monaten, keine Auswirkungen auf die Spitals- und Intensivkapazitäten. Diese Annahme wäre aber ein fataler Irrtum."

Es sei wohl richtig, dass der Anteil der spitals- und intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten an der Gesamtzahl der positiv auf SARS-CoV-2 Getesteten geringer ist als in der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr - unter anderem aufgrund einer veränderten Teststrategie und jüngerer Betroffener. "Wir können aber nur davor warnen zu glauben, dass damit die stationären Kapazitäten kein Thema mehr wären. Denn selbst bei prozentual geringerem Anteil steigt mit wachsenden Infektionszahlen linear auch die Zahl der Spitals- und Intensivaufnahmen kontinuierlich an, und das kann besorgniserregende Dimensionen erreichen."

Zwischen 19. August und 19. September stieg die Zahl der stationären Aufnahmen wegen einer Covid-19 Erkrankung von 120 auf 349, die Zahl der Intensivpatientinnen und -patienten - die zeitverzögert auf steigende Infektions- und Hospitalisierungsraten reagiert - von 20 auf 84. Auf die Intensivstationen bezogen sind aktuell wieder so viele Menschen in Behandlung wie zuletzt Anfang Mai, bei deutlich steigender Tendenz.

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"Wir können mit unseren Kapazitäten recht rasch an Grenzen stoßen, wenn kein Bremseffekt eintritt, da die Spitals- und Intensivkapazitäten dringend für die reguläre Versorgung der Bevölkerung benötigt werden", betonte der Experte. Keine andere Erkrankung habe daher aktuell das Potenzial, durch besonders rasche Zuwachsraten die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems so zu gefährden wie Covid-19.

Situation jetzt anders als im Frühjahr

Denn die Situation in den Spitälern unterscheide sich jetzt grundlegend vom Frühjahr, gab der ÖGARI-Präsident zu bedenken. "Im Gegensatz zu damals sind jetzt die Krankenhäuser wieder im Vollbetrieb, was die Versorgung anderer Erkrankungen betrifft. Und das wollen wir ja auch, damit niemand zurückbleibt. Dass bedeutet aber auch, dass nicht mehr, etwa durch die Verschiebung nicht akut erforderlicher Operationen, gezielt Intensivkapazitäten freigehalten werden. Und damit gibt es auch viel weniger Spielraum." Was vielfach nicht bekannt ist: Im Routinebetrieb liegt die Auslastung der Intensivkapazitäten in Spitälern in der Regel deutlich über 80 Prozent, in vielen Häusern auch bei 90 Prozent und mehr.

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Dazu kommt eine drohende Knappheit der personellen Ressourcen. "Ein Intensivbett hilft nur, wenn es mit ausreichend viel Personal bespielt werden kann. Wenn die Infektionszahlen in ähnlichem Maß weitersteigen wie zuletzt, wird zwangsläufig auch wieder mehr Gesundheitspersonal davon betroffen sein und uns in der Versorgung fehlen", betonte Markstaller.

Aus Sicht der ÖGARI muss jetzt wieder die Eindämmung der Infektionen in den Mittelpunkt rücken. "Wir alle müssen den Ernst der Lage sehen, die bekannten Schutzmaßnahmen wie strikte Händehygiene, Abstandhalten, Einschränkung von Kontakten und Mund-Nasen-Schutz müssen wieder von allen konsequent gelebt werden, welche Ampelfarbe auch immer leuchtet." Die Prognose sei nicht gut. "Ohne ausreichende Maßnahmen droht, dass wir wieder den stationären Routinebetrieb einschränken müssen, was wir alle vermeiden wollen. Oder aber, dass uns Behandlungskapazitäten fehlen, was wir auf jeden Fall verhindern müssen."