APA - Austria Presse Agentur

Faktencheck: Warum sind in Großbritannien viele Geimpfte unter Corona-Toten?

Über die Hälfte der britischen Corona-Toten, die mit der Delta-Variante infiziert waren, sollen gegen das Virus geimpft worden sein.

Medienberichte sowie oft geteilte Postings auf Social Media verbreiteten zuletzt die Behauptung, dass über die Hälfte der britischen Corona-Toten, die mit der Delta-Variante infiziert waren, gegen das Virus geimpft worden war. Dies sei beunruhigend und beweise, dass die Impfung nicht effektiv sei, wird geschlussfolgert.

Einschätzung: Es gibt in Großbritannien unter Geimpften tatsächlich mehr Tote nach einer Infektion mit der Delta-Variante als unter Ungeimpften - sogar mehr unter den doppelt Geimpften als unter den einfach Geimpften. Allerdings handelt es sich im Zeitraum vom 1. Februar bis zum 21. Juni 2021 um insgesamt 117 Personen, die nachgewiesen an der Delta-Variante starben. Davon waren 50 Personen zweifach geimpft, 20 hatten eine Dosis erhalten.

Alle Verstorbenen waren 50 Jahre oder älter. 0,13 Prozent aller mit der Delta-Variante Infizierten verstarb trotz beider Impfungen. Experten zufolge ist das bei einer "effektiven, aber nicht perfekten" Impfung erwartbar. Zudem handle es sich bei den Toten um ältere und gesundheitlich angeschlagene Personen. Ein Blick auf Statistiken zeigt die grundsätzlich hohe Wirksamkeit der zweiten Impf-Dosis.

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Überprüfung: Zunächst ist festzuhalten, dass die Anzahl der Toten in Zusammenhang mit dem Coronavirus in Großbritannien seit Jänner gesunken ist, nämlich von rund 8.000 Personen pro Tag auf unter 100 Ende Juni. Mit Ende Juni haben mehr als 85 Prozent der Bevölkerung zumindest eine Dosis erhalten, 64 Prozent sind vollimmunisiert.

Wirft man einen Blick auf die Altersstruktur der Corona-Toten in England, so zeigt sich, dass seit Beginn der Pandemie insgesamt 47.044 Personen über 80 Jahren am Coronavirus gestorben sind. In der Altersgruppe 60 bis 79 waren es 33.506, zwischen 40 und 59 Jahren 6.337 Personen.

Von 1. Februar bis zum 21. Juni 2021 starben in England 50 Personen an der Delta-Variante, die bereits zwei Dosen eines Impfstoffs erhalten hatten. 20 hatten eine Dosis erhalten, 44 waren nicht geimpft. 109 der 117 Toten waren über 50 Jahre alt.

Die Mehrzahl der insgesamt Infizierten war hingegen unter 50 Jahren alt (82.458). Lediglich 9.571 Personen waren 50 Jahre und älter. Von ihnen hatten 3.546 Personen beide Impfdosen erhalten. Das bedeutet, dass rund ein Drittel der Vollimmunisierten positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Von den Vollimmunisierten unter 50 Jahren gab es keinen Todesfall.

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Experten weisen darauf hin, dass dies nur eine sehr kleine Zahl der insgesamt 92.029 Erkrankungen mit der Delta-Variante sind und es sich bei den Todesfällen um eine Altersgruppe handelt, die ein höheres Risiko aufweist.

Ein Blick auf all jene, die keine Symptome hatten sowie auf die Hospitalisierungsrate nach der ersten und zweiten Dosis mit einer Infektion mit der Delta-Variante zeigt, dass grundsätzlich der Schutz nach der zweiten Dosis wesentlich höher ist. Einer britischen Studie zufolge variiert der Schutz stark: Es zeigt sich, dass der Schutz gerade bei der Delta-Variante erst nach der zweiten Impfung greift.

Liegt dieser bei der Alpha-Variante nach der ersten Dosis bei durchschnittlich 49 Prozent, sinkt er bei der Delta-Variante auf durchschnittlich 35 Prozent. Nach zwei Impfungen treten bei 89 Prozent (Alpha) keine Symptome auf, bei der Delta-Variante sind es 79 Prozent. Das bedeutet, dass bei der Delta-Variante nach zwei Impfungen immer noch 21 Prozent der Geimpften mit Symptomen zu rechnen haben.

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Höher ist der Schutz in Hinblick auf Hospitalisierungen: Gegen einen Krankenhausaufenthalt ist man nach der ersten Impfung zu 80 Prozent geschützt, nach der zweiten Dosis zu 96 Prozent. Hier liegt der Schutz bei der Delta-Variante sogar höher als bei der Alpha-Variante (78 Prozent Schutz nach der ersten Dosis, 93 Prozent nach der zweiten Dosis). Somit verbleibt bei der Delta-Variante unter den doppelt Geimpften eine siebenprozentige Wahrscheinlichkeit, mit einer Infektion ins Spital eingewiesen zu werden.

Bereits Ende März wurden in Großbritannien Modellrechnungen veröffentlicht, dass im Sommer ein Großteil an Hospitalisierungen auf Geimpfte fallen könnte, weil bis dahin ein großer Teil der Bevölkerung geimpft sein würde.