Debatte im Wiener Gemeinderat über Spitäler
Die Grüne Gesundheitssprecherin Barbara Huemer blickte zum Auftakt der Debatte auf die Uhr. In den Spitälern, so warnte sie, sei es nicht fünf vor zwölf, sondern bereits halb eins. Sie bräuchten unverzüglich Hilfe - auch angesichts der gerade erst beginnenden Covid- und Influenzawelle. "Von der Stadtregierung wird das Thema weggerückt", beklagte sie. Die Grünen würden sich als Sprachrohr für die Patientinnen und Patienten, aber auch für das Personal sehen.
Letzteres würde bessere Rahmenbedingungen verdienen, zeigte sich Huemer überzeugt. Der Druck und die Arbeitsbelastung seien hoch. "Es herrscht wirklich Stress pur in den Spitälern." Nötig wäre mehr Personal und mehr Zeit. Das jüngst präsentierte Paket in Sachen Zulagen sei nur Placebo, da die Arbeitsbedingungen weiter schlecht blieben.
Lob gab es für die Gesundheitsreform von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Diese biete auch eine Chance für Wien, versicherte Huemer. Primärversorgungszentren könnten etwa künftig schneller errichtet werden. Gefordert wird für Wien weiters mehr Pflegepersonal, Pilotprojekte zur Arbeitszeitverkürzung und eine interdisziplinäre Long-Covid-Ambulanz.
FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl versicherte, dass die Freiheitlichen die Bestandsaufnahme der Grünen unterschreiben könnten - wobei er eine Frage anschloss: "Warum fällt euch das erst jetzt ein?" Die Grünen seien zehn Jahre Teil der Stadtregierung gewesen. Dort hätten sie alles "abgenickt". Das Zulagen-Paket beurteilte Seidl als "nicht so schlecht". Probleme gebe es aber trotzdem, hielt er fest. So seien etwa in den Häusern des WIGEV 700 Betten derzeit gesperrt, kritisierte er.
Für die NEOS verwies Gemeinderat Stefan Gara auf die Schnittstelle zwischen den Krankenhäusern und dem niedergelassenen Bereich. Der Rückgang bei den Kassenordinationen führe dazu, dass immer mehr Personen in die Spitälern gehen. "Dadurch entsteht ein extremer Stressfaktor." Eine wichtige Maßnahme, um hier gegenzusteuern, seien die in Wien eingerichteten Erstversorgungsambulanzen an den Eingängen der Spitäler. Als Problem nannte Gara das "Driften" der Mediziner in den Wahlarztbereich. Dies werde sich nur ändern, wenn die Leistungskataloge der Kassen verbessert würden, zeigte er sich überzeugt. Die Verantwortung dafür sehe er auf Bundesebene.
Eine Vereinfachung von "Strukturen und Finanzströmen" verlangte auch ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec. So lange die Bereiche Spital und niedergelassene Ärzte derart getrennt seien, werde es Missstände geben, prophezeite sie. Eine Finanzierung aus einer Hand sei dringend notwendig. Und auch im WIGEV seien Reformen nötig. Nur "Pflaster aufzupicken", reiche nicht mehr.
Eingebracht wurde von der ÖVP unter anderem ein Antrag über eine Weiterentwicklung und Digitalisierung der Gesundheitsberatung 1450 samt Möglichkeit zu Terminvereinbarungen. Auch die Berücksichtigung künftiger Primärversorgungseinheiten in Stadtentwicklungsgebieten sowie vergünstige Darlehen bei der Gründung eines PVE wurde gefordert. Der Antrag wurde einstimmig angenommen, also auch von den Regierungsfraktionen.
Die SPÖ kann sich in Wien auch mit den Vorhaben des Bundes anfreunden, wie deren Gesundheitssprecherin Claudia Laschan ausführte. 550 Mio. Euro frisches Geld für die Gesundheit in Österreich sei zwar "ein bisschen zu wenig", aber "immerhin ein erster Schritt", hielt sie fest. Dass Bereiche wie Schmerzbehandlung oder psychische Versorgung in Ambulanzen verlagert würden, sei positiv zu beurteilen, so die SPÖ-Politikerin.
Sie übte jedoch auch harsche Kritik, nämlich an einem Player, der nicht im Gemeinderat vertreten ist: der Ärztekammer. Diese hat bereits Proteste initiiert und plant auch einen Kundgebung am kommenden Montag. Slogans der Kammer - etwa "Ohne uns stirbt Wien" - sind nach Ansicht Laschans "unglaublich tief". Die Kammer "schmeiße" bis zu 10 Mio. Euro für ihre Kampagnen hinaus, wetterte sie. Die Ärztekammer verunsichere damit Patientinnen und Patienten. Auch sei die Kammer gegen Primärversorgungszentren gewesen. Laschan sprach sich dafür aus, das Mitspracherecht der "Lobbyorganisation" zu beschränken.
Kommentare