APA - Austria Presse Agentur

Debatte um Neutralität in Österreich kommt in Gang

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bringt auch eine Debatte über Österreichs Neutralität in Gang.

Ex-Nationalratspräsident Andreas Kohl plädierte am Sonntag in der "Kleinen Zeitung" für einen NATO-Betritt oder die Mitarbeit an einer europäischen Armee der EU, denn: "Ein neutraler oder bündnisloser Staat bleibt allein, wenn er angegriffen wird". Auch der frühere Kommandant der Streitkräfte Günter Höfler will Österreich in der NATO sehen. Die SPÖ ist dagegen.

Für Kohl zeigt das Beispiel der Ukraine, dass nur Bündnis-Mitglieder geschützt werden. Gleichzeitig würden drei Viertel der Österreicher noch immer fest hinter der Neutralität stehen, schrieb er in einem Gastkommentar in der "Kleinen Zeitung". Diese müssten von den Folgen des russischen Angriffs informiert und von "den neuen Notwendigkeiten des Schutzes" überzeugt werden. Zuletzt hatte schon der als ÖVP-nahe geltende Ex-Streitkräftekommandant Höfler gewarnt, dass die Neutralität in der Geschichte noch nie ein Land vor einem Aggressor bewahrt habe. Einzige Alternativen seien eine starke bewaffnete Neutralität wie die Schweiz oder ein NATO-Beitritt. Dies würde die Bevölkerung auch mittragen, wenn die Politik sich ideologiefrei damit auseinandersetze und es der Bevölkerung erkläre, so Höfler.

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Von der Sozialdemokratie kam am Sonntag eine Absage. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat sich ihrerseits in einem Gastkommentar in der "Kleinen Zeitung" für die Neutralität stark gemacht: "Die Neutralität stärkt als Eckpfeiler der österreichischen Außenpolitik unsere Sicherheit", betonte sie. Im Sinne einer engagierten Neutralität könne Österreich dabei trotzdem klar Stellung beziehen, wenn Völkerrecht gebrochen werde. Auch die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) pochte in der ORF-Sendung "Hohes Haus" auf die Beibehaltung einer "aktiven Neutralitätspolitik", bei der Österreich sich zwar nicht aktiv an militärischen Auseinandersetzungen beteiligt, aber gleichzeitig zu Solidarität verpflichtet. "Österreich ist eine Dialogmacht, deshalb sind wir auch UNO-Standort, deshalb finden bei uns Abrüstungs- und Friedensgespräche statt." Das habe mit der Neutralität zu tun und das solle man aus sicherheitspolitischen Gründen auch nicht aufs Spiel setzen.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried forderte am Sonntag per Aussendung von Bundeskanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) eine "unmissverständliche Klarstellung der ÖVP-Position zur Neutralität". Immerhin werde Ex-Klubobmann Khol von der Partei immer wieder ausgeschickt, um in Diskussionsrunden oder Kommentarspalten ÖVP-Positionen zu vertreten. Nehammer hatte zuletzt zwar hervorgehoben, dass die Neutralität 1955 eine Bedingung der Russen für die Freiheit Österreichs gewesen sei. Sie habe sich allerdings als "praktikables Instrument" bewährt. Diese Beteuerungen des Kanzlers würden angesichts von Kohls Ansage allerdings unglaubwürdig klingen, so Leichtfried. Es sei zu hoffen, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen klare Worte an die ÖVP richte, dass die immerwährende Neutralität Österreichs nicht zur Debatte stehe. Dieser hatte zuletzt eine Aufgabe der österreichischen Neutralität abgelehnt. "Wir haben gute Erfahrungen mit der Neutralität gemacht", sagte Van der Bellen diese Woche.

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Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek, Chef der steirischen FPÖ, sprach sich in der "Kleinen Zeitung" ebenfalls dagegen aus, mit Blick auf die Ukraine die 'immerwährende Neutralität' Österreichs kurzerhand über Bord zu werfen". Bundeskanzler Nehammer müsse vielmehr die "Neutralität wieder aktiv mit Leben befüllen und die militärische Landesverteidigung in den Fokus rücken".