APA - Austria Presse Agentur

Deutsche Bank holt Sigmar Gabriel in den Aufsichtsrat

Überraschende Personalentscheidung bei der Deutschen Bank: Das krisengeplagte Geldhaus holt den früheren SPD-Chef und Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in den Aufsichtsrat, wie die Bank am Freitag mitteilte. Der 60-Jährige folgt auf Jürg Zeltner, den die Finanzaufsicht wegen Interessenkonflikten nicht akzeptiert hat.

Für Aufsichtsratschef Paul Achleitner, einem gebürtigen Österreicher, endet damit eine schwierige, monatelange Suche. Insidern zufolge genießt Gabriel, der die Deutsche Bank früher scharf kritisiert hat, das Vertrauen des Großaktionärs aus Katar. Die Frage ist, ob der ehemalige Vizekanzler auch das Potenzial hat, Nachfolger von Achleitner zu werden.

In seiner Zeit als Politiker hatte Gabriel noch Pläne seiner Partei unterstützt, Großbanken zu zerschlagen, und der Deutschen Bank "Spekulantentum" vorgeworfen. Nun lobte er: "Mit einer nun klaren Strategie und ihrem starken Führungsteam hat die Deutsche Bank als eine der wichtigsten Finanzinstitutionen in Europa die Chance und die Verantwortung, die Zukunft der deutschen und europäischen Wirtschaft mit zu gestalten. Dazu möchte ich einen Beitrag leisten." Achleitner erklärte, mit Gabriel habe die Bank einen überzeugten Europäer mit "großem Erfahrungsschatz" für das Kontrollgremium gewonnen.

Insidern zufolge hat der Aufsichtsratschef Gabriel selbst dem Großaktionär Katar vorgeschlagen, der das Anrecht auf die Besetzung des Postens hatte. Das Königreich ist über zwei Fonds mit mehr als sechs Prozent an der Deutschen Bank beteiligt. Der Katar-Vertraute Zeltner wurde von der Aufsicht abgelehnt, weil er Chef und Investor bei der Privatbankengruppe Quintet - früher bekannt als KBL - ist, die von Katar kontrolliert wird. Die Berufung Gabriels sei im Vorfeld mit den Behörden abgestimmt worden, sagten mit der Sache vertraute Personen. Laut Deutscher Bank soll der Politiker zunächst gerichtlich bestellt werden und sich bei der nächsten Hauptversammlung im Mai zur Wahl stellen.

Die Fondsgesellschaft Deka, die zu den Großinvestoren der Bank gehört, sieht die Personalie positiv. "Gabriel weiß, wie Berlin tickt und ist gut vernetzt", sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka. "Das hilft, der zunehmend auf Deutschland fokussierten Strategie der Bank und der Verbesserung des angekratzten Images in der Öffentlichkeit." Durch seine Tätigkeit als Wirtschaftsminister habe er gute Kontakte zu Unternehmen, von denen die Bank profitieren könne. Außerdem bringe der Sozialdemokrat, dessen Parteikollege und Finanzminister Olaf Scholz in der Vergangenheit auch für eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank plädiert hatte, viel Expertise mit in Bezug auf Regulierung.

Bei Kleinaktionären herrschte dagegen Skepsis. "Ich hätte mir lieber jemanden im Aufsichtsrat gewünscht, der mehr Finanzerfahrung mitbringt und die Bank inhaltlich voranbringen kann", sagte Anlegeranwalt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Ich mache ein Fragezeichen dahinter, ob er der Richtige ist." Ob Nieding beim Aktionärstreffen für Gabriel stimmen wird, ließ er offen. "Wir werden in der diesjährigen Hauptversammlungssaison generell sämtliche Personalentscheidungen kritischer hinterfragen."

Im Rahmen der Neubesetzung von Zeltners Position war in Finanzkreisen auch spekuliert worden, ob Achleitner jemanden für seine eigene Nachfolge findet. Bei der Hauptversammlung im Mai 2019 hatte er heftige Kritik von Aktionären einstecken müssen und es war unklar, wie lange er sich noch hält. Mittlerweile mehren sich die Stimmen, dass er bis zum Ende seiner 2022 laufenden Amtszeit bleibt. Zwei Personen aus dem Umfeld der Bank zufolge steht Gabriel als Achleitner-Erbe nicht zur Debatte. Auch Nieding hält dies für unwahrscheinlich: "An der Spitze der Bank muss jemand aus der Branche sitzen." Ein anderer Insider sagte dagegen, Gabriel habe durchaus das Format für solch einen Posten. Die notwendige Bankenexpertise könne er sich in den kommenden Jahren aneignen.

Ganz ohne Finanzerfahrung steht der gebürtige Goslarer auch gar nicht da. Er gehörte von 2005 bis 2009 dem Verwaltungsrat der staatlichen Förderbank KfW an und hat das Gremium 2014 und 2016 auch geleitet. Seit seinem Rückzug aus der Regierung ist er in internationalen Gremien und Organisationen aktiv. 2018 hatte er ebenfalls einen prominenten Posten in der Wirtschaft in Aussicht: Auf Wunsch von Siemens sollte er nach der Fusion in den Verwaltungsrat des Bahntechnik-Konzerns Siemens Alstom einziehen. Doch der Zusammenschluss scheiterte am Widerstand der EU-Kommission. Zeitweise wurde er auch als Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) gehandelt.

Auf Gabriel wartet in Frankfurt keine leichte Aufgabe. Die Bank steckt mitten im größten Umbau ihrer Firmengeschichte, dem weltweit 18.000 Jobs zum Opfer fallen. 2019 stand ein Verlust in Milliardenhöhe zu Buche. Details zum Geschäftsverlauf will das Institut am kommenden Donnerstag vorstellen.