Die "goldwürdige" Übertragungsphilosophie des ORF zur Ski-WM

Michael Kögler will mit Bildern Emotionen transportieren
Wenn die Alpine Ski-WM von 4. bis 16. Februar in Saalbach-Hinterglemm stattfindet, herrscht nicht nur bei den Athletinnen und Athleten Ausnahmezustand: Auch der ORF ist mit einem Großaufgebot im Einsatz, um die Rennen in die Wohnzimmer Österreichs und vieler weiterer Länder zu übertragen. ORF-Chefregisseur Michael Kögler trägt die Letztverantwortung. Im APA-Interview spricht er über "goldwürdige" Bilder, spektakulären Drohneneinsatz und seine Daumenregel bei schweren Stürzen.

"Die Ski-WM beginnt nicht mit dem ersten Rennen, die Vorbereitung beginnt Jahre zuvor", stellt Kögler, der schon seit Jahrzehnten für den ORF im Einsatz ist und unzählige Großevents als Regisseur begleitet hat, klar. Mehrfach besucht er die Strecken - auch im Sommer -, um das Kamerakonzept zu erstellen. Die Positionierung erfolgt mit Blick auf die Sicherheit der Rennläufer, soll aber natürlich dennoch beste Bilder ermöglichen. Bis zu 56 Kameras kommen beim Großevent in Salzburg zum Einsatz, darunter mehrere Drohnen, Kamerakräne, Hand-, Mini- und superzeitlupenfähige Kameras. Seit der letzten Heim-WM in Schladming vor zwölf Jahren habe sich vor allem die Produktionsmenge sowie die Anzahl und die Qualität der Mini- und Superzeitlupenkameras deutlich erhöht.

Einst verbotene Drohnen als "enorme Aufwertung"

Die augenscheinlichste Änderung seien aber die Drohnen. Nach dem Absturz einer Drohne bei einer Fahrt von Marcel Hirscher hatte die FIS ihren Einsatz gänzlich verboten. Während der Coronazeit, als Rennen teils ohne Zuschauer durchgeführt wurden, wurden sie wieder, auch unter Zutun von Kögler, unter hohen Sicherheitsauflagen genehmigt. "Drohnen sind mittlerweile deutlich kleiner geworden und werden professioneller gehandhabt. Sie sind für die Darstellung von Geschwindigkeit und andere Blickwinkel eine enorme Aufwertung", so Kögler.

Einem Skifahrer nachzufliegen, sei nicht so einfach, wie es aussieht. "Für die Bedienung braucht man einen Piloten, der die Drohne perfekt beherrscht", sagt der 60-Jährige. Obwohl der Pilot über eine virtuelle Brille steuert, dürfe man nur jenen Teil befliegen, den ein Spotter mit freiem Auge einsehen könne. Prinzipiell könnte Kögler mit Drohnen noch spektakulärere Einstellungen kreieren. Das wäre aus Sicherheitsgründen aber nicht akzeptabel. "Es sind so schon herausragende Bilder", sagt der Regieroutinier, der auch schon bei der Saalbach-WM 1991 mit dabei war und in den vergangenen 15 Jahren fast alle Ski-Meisterschaften verantwortete.

Das sei eine "große Herausforderung und unheimliches Privileg". Das Wichtigste sei, dass man ein tolles Team habe. "Der Kamerakollege muss das Bild liefern, der Tonmeister das Kratzen der Ski, mir muss die richtige Bildauswahl für die Slow-Motion geschickt werden. Jeder weiß, was er zu tun hat. Jeder macht es gern. Wir streben danach, eine goldwürdige Abfahrt zu machen", so Kögler.

Sensationsgier bei Stürzen "in keiner Weise unterstützen"

Mehr Druck als auf den Sportlerinnen und Sportlern könne aber nicht auf ihm lasten. "Speziell die Abfahrer sind die meistunterschätzten Athleten, die es gibt. Sie fahren mit geringem Schutz pickelharte Eisflächen hinunter", staunt Kögler. Und wo geringer Schutz, da mitunter schwere Verletzungen. Das ORF-Urgestein hat dafür eine Daumenregel parat: "Was man selbst als Gestürzter nicht wollen würde, dass Verwandte, Partner oder Freunde sehen, wird nicht hergezeigt. Für den Zuschauer zu Hause wird die Sensationsgier aus Respekt gegenüber den Athletinnen und Athleten in keiner Weise unterstützt." Wenn ein Sturz unmittelbar erfolgt, müsse möglichst schnell auf eine Kameraeinstellung aus der Ferne gewechselt werden. Bilder wie bei der Fußball-EM 2021, als der dänische Profi Christian Eriksen zusammenbrach und reanimiert werden musste, seien ein "No-Go". Der ORF übernahm damals das Signal von der UEFA und hatte auf die Bildregie keinen Einfluss, verteidigte sich das öffentlich-rechtliche Medienhaus damals.

Prinzipiell hat es Kögler gerne, wenn er Geschichten erzählen kann. "Mikaela Shiffrin hat sich einmal im Startbereich für zehn bis 15 Minuten zum Schlafen hingelegt. Ich habe das immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln hergezeigt. Für die Kommentatoren war das toll, sie haben es wiederholt aufgegriffen", erinnert er sich. Idealerweise erzähle er mit den Bildern Geschichten, die Kommentatoren in Worte fassen. "Wenn das synchron läuft, ist es beste Unterhaltung. Nur einen nach dem anderen beim Runterfahren zu zeigen, halte ich für die falsche Übertragungsphilosophie. Der Sport ist im Vordergrund, aber die Übertragung muss dich berühren, Emotionen transportieren."

(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)

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